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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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daran lag, dass er Stärke ausstrahlte oder dass er ein übelriechender Paria war, dem man besser aus dem Weg gehen sollte; es spielte keine Rolle.
    Er war jetzt aus anderem Holz geschnitzt. Sie spürten es und wichen zurück.
    Ohne nach rechts oder links zu schauen, betrat Oskar das Klassenzimmer und setzte sich an sein Pult. Er hörte Murmeln im Gang vor der Klasse, und ein paar Minuten später strömten die anderen herein. Johan hob den Daumen, als er an Oskars Pult vorbeiging.
    Oskar zuckte mit den Schultern.
    Dann kam die Lehrerin, und fünf Minuten nach Beginn der Schulstunde traf schließlich Jonny ein. Oskar hatte angenommen, dass er eine Art Verband auf dem Ohr haben würde, aber dem war nicht so. Das Ohr war allerdings dunkelrot, angeschwollen und schien nicht zum Körper zu gehören.
    Jonny setzte sich auf seinen Platz. Er sah Oskar nicht an, sah niemanden an.
    Er schämt sich.
    Ja, so war es. Oskar wandte sich um, wollte Jonny ansehen, der ein Fotoalbum aus seinem Ranzen holte und unter das Pult schob. Und er sah, dass Jonnys Wangen feuerrot angelaufen waren, farblich zu seinem Ohr passten. Oskar überlegte, ihm die Zunge herauszustrecken, verzichtete jedoch darauf.
    Zu kindisch.
    *
    Tommy hatte montags immer erst um Viertel vor neun Schule, also stand Staffan um acht Uhr auf und trank auf die Schnelle eine Tasse Kaffee, ehe er hinunterging, um mit dem Burschen ein ernstes Wörtchen zu reden.
    Yvonne war bereits zur Arbeit gegangen; Staffan sollte um neun Uhr seinen Dienst im Judarnwald antreten, um auf Sparflamme eine Durchsuchung des Waldes fortzusetzen, die vermutlich ergebnislos verlaufen würde.
    Nun ja, im Grunde war es ganz schön, im Freien zu sein, und das Wetter schien auch passabel zu werden. Er spülte seine Kaffeetasse unter fließendem Wasser aus, dachte einen Augenblick nach, zog dann seine Uniform an. Er hatte erwogen, in Zivil zu Tommy hinunterzugehen, sozusagen als ein ganz gewöhnlicher Mensch mit ihm zu reden. Aber streng genommen war es ein Fall für die Polizei, Vandalismus, und außerdem war die Uniform eine Hülle aus Autorität, an der es ihm seiner Meinung nach zwar auch im Privaten nicht mangelte, aber … nun ja.
    Außerdem war es natürlich praktisch, fertig angezogen zu sein, da er anschließend zur Arbeit musste. Also zog Staffan seine Dienstuniform und die Winterjacke an, überprüfte im Spiegel, welchen Eindruck er machte, und befand ihn für gut. Anschließend nahm er den Kellerschlüssel, den Yvonne ihm auf den Küchentisch gelegt hatte, ging hinaus, zog die Tür zu, warf einen Blick auf das Schloss (eine Berufskrankheit) und ging die Treppen hinab, schloss die Kellertür auf.
    Und apropos Berufskrankheit …
    Hier war mit dem Schloss etwas nicht in Ordnung. Da war kein Widerstand, als er den Schlüssel drehte, die Tür ließ sich einfach so öffnen. Er ging in die Hocke, untersuchte den Schließmechanismus.
    Aha. Papier.
    Ein uralter Trick von Einbrechern; sich unter einem Vorwand Zugang zu einer Räumlichkeit zu verschaffen, die man leerräumen wollte, das Schloss zu manipulieren und anschließend zu hoffen, dass der Besitzer es nicht merkte, wenn er den Raum verließ.
    Staffan klappte sein Messer auf, dröselte das Papier heraus.
    Tommy natürlich.
    Es kam Staffan nicht in den Sinn, sich zu fragen, warum Tommy das Schloss einer Tür manipulieren sollte, zu der er einen Schlüssel besaß. Tommy war ein Dieb, der sich hier unten herumtrieb, und dies war der Trick eines Diebes. Also: Tommy.
    Yvonne hatte ihm beschrieben, welcher Kellerverschlag Tommys war, und während Staffan dorthin unterwegs war, bereitete er innerlich die Standpauke vor, die er Tommy halten würde. Er hatte sich vorgenommen, ein bisschen kumpelhaft zu sein, behutsam vorzugehen, aber die Sache mit dem Schloss hatte wieder seine Wut geweckt.
    Er würde Tommy erklären – erklären, nicht drohen –, wie das alles mit dem Jugendgefängnis, den Sozialbehörden, der Strafmündigkeit und so weiter zusammenhing. Damit er begriff, auf welche schiefe Bahn er da geriet.
    Die Tür zum Kellerverschlag stand offen. Staffan schaute hinein. Sieh an. Der Vogel ist ausgeflogen. Dann sah er die Flecken. Er ging in die Hocke, strich mit dem Finger über einen von ihnen.
    Blut.
    Tommys Decke lag auf der Couch, und auch auf ihr waren einzelne Blutflecken. Und der Fußboden war, wie er nun erkannte, da sein Blick darauf eingestellt war, voller Blut.
    Erschrocken zog er sich aus dem Verschlag zurück.
    Vor seinen Augen

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