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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Kabeljau zu sprechen, der aus der Ostsee verschwinden würde. So ging der Abend dahin.
    Karlsson tauchte nicht mehr auf, aber gegen zehn betrat ein Mann das Lokal, den keiner von ihnen je zuvor gesehen hatte. Die Unterhaltung war in der Zwischenzeit lebhafter geworden, und niemand beachtete den neuen Gast, bis er sich allein an einen Tisch am anderen Ende des Restaurants gesetzt hatte.
    Jocke lehnte sich zu Larry vor.
    »Was ist denn das für einer?«
    Larry schaute diskret, schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung.«
    Der Neue bekam einen großen Whisky und kippte ihn schnell herunter, bestellte noch einen. Morgan blies pfeifend Luft aus.
    »Da wird nicht lange gefackelt.«
    Der Mann schien nicht zu bemerken, dass er beobachtet wurde. Er saß nur still an seinem Tisch, musterte seine Hände und sah aus, als wäre das gesamte Elend der Welt in einen Rucksack gepackt und auf seinen Schultern abgeladen worden. Er trank schnell seinen zweiten Whisky und bestellte einen dritten.
    Der Kellner beugte sich zu ihm hinab und sagte etwas. Der Mann stocherte mit der Hand in seiner Tasche und zeigte einige Geldscheine. Der Kellner machte eine Geste mit den Händen, als hätte er es so doch nicht gemeint, obwohl er es natürlich genau so gemeint hatte, und ging das Getränk holen.
    Es konnte kaum überraschen, dass die Kreditwürdigkeit des Mannes in Zweifel gezogen wurde. Seine Kleider waren zerknittert und fleckig, als hätte er an einem Ort in ihnen genächtigt, an dem man keinen Schlaf finden konnte. Der Haarkranz um seinen kahlen Scheitel war nicht gestutzt und hing halb über die Ohren. Sein Gesicht wurde von einer großen, hellroten Nase und einem vorstehenden Kinn dominiert. Dazwischen saß ein Paar relativ großer, voller Lippen, die sich ab und zu bewegten, als spräche der Mann mit sich selbst. Als der Whisky vor ihm auf den Tisch gestellt wurde, verzog er keine Miene.
    Die Clique setzte ihre kurzzeitig unterbrochene Diskussion fort: Es ging um die Frage, ob Ulf Adelsohn ein noch schlimmerer Parteivorsitzender der Konservativen sein würde als sein Vorgänger Gösta Bohman. Nur Lacke schielte gelegentlich noch zu dem einsamen Mann hinüber. Nach einiger Zeit, als der Mann einen weiteren Whisky bestellt hatte, sagte er: »Sollten wir ihn nicht … fragen, ob er sich zu uns setzen will?«
    Morgan warf über die Schulter einen Blick auf den Mann, der inzwischen noch mehr auf seinem Stuhl zusammengesackt war. »Nee, warum sollten wir? Seine Frau hat ihn verlassen, die Katze ist tot und das Leben eine Hölle. Das weiß ich auch so.«
    »Vielleicht lädt er uns ein.«
    »Das ist was anderes. Dann kann er auch noch Krebs haben.« Morgan zuckte mit den Schultern. »Mir soll es egal sein.«
    Lacke sah Larry und Jocke an. Sie gaben mit kleinen Gesten zu verstehen, dass es okay war, und Lacke stand auf und ging zu dem Tisch des Mannes.
    »Wir fragen uns, ob du vielleicht Lust hast … dich zu uns zu setzen?«
    Der Mann schüttelte sachte den Kopf und machte eine schläfrig träge, verneinende Handbewegung.
    »Nein danke. Aber setz dich ruhig.«
    Lacke zog den Stuhl heraus und setzte sich. Der Mann kippte den letzten Schluck in seinem Glas herunter und winkte den Kellner herbei.
    »Möchtest du was? Ich lade dich ein.«
    »Ja, wenn das so ist. Das Gleiche wie du.«
    Lacke wollte das Wort »Whisky« nicht in den Mund nehmen, weil es vermessen klang, jemanden darum zu bitten, einem so etwas Teures auszugeben, aber der Mann nickte nur, und als der Kellner sich näherte, machte er mit seinen Fingern ein V-Zeichen und zeigte auf Lacke. Lacke lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Wie lange war es her, dass er in einer Kneipe Whisky getrunken hatte? Drei Jahre? Mindestens.
    Der Mann machte keine Anstalten, ein Gespräch anzufangen, sodass Lacke sich räusperte und sagte: »Es ist kalt geworden.«
    »Ja.«
    »Wird sicher bald schneien.«
    »Mmm.«
    Die Whiskygläser wurden auf den Tisch gestellt und machten ein Gespräch für eine Weile überflüssig. Auch Lacke bekam einen Doppelten und spürte die Blicke seiner Clique im Rücken. Nach zwei kleineren Schlucken hob er das Glas.
    »Na dann Prost. Und vielen Dank.«
    »Prost.«
    »Wohnst du in der Nähe?«
    Der Mann stierte ins Leere, schien über die Frage nachzugrübeln, als wäre dies etwas, worüber er selber noch nie nachgedacht hatte. Lacke konnte nicht erkennen, ob sein Kopfwackeln eine Antwort auf die Frage sein sollte, oder Teil eines stummen Selbstgesprächs war.
    Lacke trank noch

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