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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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einen Schluck und beschloss, wenn der Mann auch seine nächste Frage nicht beantwortete, wollte er in Ruhe gelassen werden, mit niemandem sprechen. Dann würde Lacke sein Glas nehmen und sich wieder zu den anderen gesellen. Er hatte getan, was einem die Höflichkeit gebot, wenn man eingeladen wurde. Er hoffte, der Mann würde ihm nicht antworten.
    »Ja ja. Und was treibst du so, um die Zeit totzuschlagen?«
    »Ich …«
    Der Mann runzelte die Stirn, und seine Mundwinkel zogen sich krampfhaft zu einer grinsenden Grimasse in die Höhe, fielen wieder zurück.
    »… helfe ein wenig aus.«
    »Aha. Und wobei?«
    Eine Art Erkenntnis strich hinter der durchsichtigen Netzhaut vorüber, und der Blick des Mannes begegnete Lackes. Lacke spürte einen leisen Schauer im Rückgrat, als hätte ihn über dem Steißbein eine Ameise gebissen.
    Der Mann strich sich über die Augen, fischte ein paar Hunderter aus seiner Hosentasche, legte sie auf den Tisch und stand auf.
    »Entschuldige, ich muss …«
    »Ist schon okay. Danke für den Whisky.«
    Lacke erhob sein Glas in Richtung des Mannes, doch dieser war bereits auf dem Weg zur Garderobe, zog linkisch seinen Mantel vom Haken und verließ das Lokal. Lacke blieb mit dem Rücken zur Clique sitzen, betrachtete den kleinen Haufen Geldscheine. Fünf Hunderter. Ein doppelter Whisky kostete sechzig, und es waren fünf, vielleicht auch sechs getrunken worden.
    Lacke schielte zur Seite. Der Kellner kassierte gerade bei einem älteren Paar, den einzigen Essensgästen. Beim Aufstehen zerknüllte Lacke schnell einen Hunderter in seiner Hand, schob die Hand in die Hosentasche und kehrte an seinen Stammtisch zurück.
    Auf halbem Weg fiel ihm noch etwas ein, und er kehrte zu dem Tisch zurück und leerte den Rest aus dem Glas des Mannes in sein eigenes, nahm es mit.
    Ein typischer gelungener Abend.
    *
    »Aber heute kommt doch Erkennen Sie die Melodie! «
    »Ja, ich komme ja auch.«
    »Es fängt in … einer halben Stunde an.«
    »Ich weiß.«
    »Was willst du denn jetzt noch draußen?«
    »Ich will nur noch was raus.«
    »Ja, du musst Erkennen Sie die Melodie ja nicht sehen. Ich kann auch alleine fernsehen. Wenn du unbedingt raus musst.«
    »Ja aber, ich … ich komme doch gleich.«
    »Ja, schon gut. Dann warte ich noch damit, die Crèpes aufzuwärmen.«
    »Nein, du kannst … ich komme gleich.«
    Oskar war hin und her gerissen. Erkennen Sie die Melodie gehörte zu den Sendungen, die seiner Mutter und ihm heilig waren. Mama hatte Crèpes mit Krabbenfüllung gemacht, die sie vor dem Fernseher essen wollten. Er wusste, dass er Mama enttäuschte, wenn er jetzt aus dem Haus ging, statt dazusitzen und … mit ihr zu warten.
    Aber seit Einbruch der Dämmerung hatte er aus dem Fenster geschaut, und vor Kurzem war das Mädchen aus der Tür des Nachbarhauses getreten und zum Spielplatz gegangen. Er hatte sich augenblicklich vom Fenster zurückgezogen. Sie durfte nicht glauben, dass er …
    Anschließend hatte er noch fünf Minuten gewartet, ehe er sich anzog und hinausging. Er setzte keine Mütze auf.
     
    Auf dem Spielplatz war von dem Mädchen nichts zu sehen, vermutlich hockte sie wie gestern irgendwo im Klettergerüst. Die Jalousien vor ihrem Fenster waren noch immer heruntergelassen, aber es brannte Licht in der Wohnung. Außer im Badezimmer, einem schwarzen Viereck.
    Oskar setzte sich auf den Rand des Sandkastens und wartete wie auf ein Tier, das aus seinem Bau kommen soll. Er wollte nur kurz so sitzen. Kam das Mädchen nicht, würde er wieder hineingehen, als wäre nichts gewesen.
    Er holte seinen Zauberwürfel heraus und drehte an ihm, um etwas zu tun zu haben. Er hatte es satt gehabt, auf dieses eine Eckquadrat Rücksicht zu nehmen, und drehte am ganzen Würfel, um noch einmal ganz von vorne anzufangen.
    Das Knacken des Würfels wurde in der kalten Luft verstärkt, klang wie eine kleinere Maschine. Aus den Augenwinkeln sah Oskar, dass sich das Mädchen auf dem Klettergerüst aufrichtete. Er drehte weiter, um mit einer neuen einfarbigen Seite anzufangen. Das Mädchen stand still. Er verspürte ein leichtes Grummeln im Magen, beachtete das Mädchen jedoch nicht weiter.
    »Du bist wieder hier?«
    Oskar hob den Kopf, tat erstaunt, ließ ein paar Sekunden verstreichen und sagte dann:
    » Du bist wieder hier?«
    Das Mädchen sagte nichts, und Oskar drehte weiter. Seine Finger waren steif. Es war schwer, in der Dunkelheit die Farben zu unterscheiden, sodass er ausschließlich an der weißen Seite arbeitete,

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