So finster die Nacht
einen Punkt, ein Schlag mit der flachen Hand für einen Strich, so hatten sie es ausgemacht.
Knöchel. Pause. Knöchel, Handteller, Knöchel, Knöchel. Pause. Knöchel, Knöchel. (E.L.I.)
I.C.H. G.E.H.E. R.A.U.S.
Wenige Sekunden später kam die Antwort.
I.C.H. K.O.M.M.E.
Sie trafen sich vor ihrer Haustür. In nur einem Tag hatte sie sich … verändert. Vor einem Monat war eine jüdische Frau in der Schule gewesen, hatte ihnen vom Holocaust erzählt, Dias gezeigt. Eli sah jetzt ein bisschen so aus wie die Menschen auf diesen Bildern.
Das grelle Licht der Lampe über dem Hauseingang markierte die Schatten in ihrem Gesicht, als wären ihre Knochen dabei, durch die Haut zu dringen, als wäre die Haut dünner geworden. Und …
»Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«
Er hatte geglaubt, das Licht ließe sie so aussehen, aber als er näher kam, sah er, dass durch ihre schwarzen Haare einige dicke weiße Strähnen liefen. Wie bei alten Menschen. Eli strich sich über die Haare, lächelte ihn an.
»Das verschwindet wieder. Was sollen wir machen?«
Oskar ließ ein paar Einkronenmünzen in der Tasche klirren.
»Büdchen?«
»Was?«
»Der Kiosk.«
»Mm. Wer Letzter wird, ist eine lahme Schnecke.«
Ein Bild blitzte in Oskars Kopf auf.
Schwarzweiße Kinder.
Dann lief Eli los, und Oskar tat es ihr nach. Obwohl sie so krank aussah, war sie deutlich schneller als er, flog geschmeidig über die Pflastersteine des Wegs, überquerte mit nur zwei Schritten die Straße. Oskar lief so schnell er konnte, war abgelenkt von diesem Bild.
Schwarzweiße Kinder?
Ja genau. Er lief gerade abwärts an der Bonbonfabrik vorbei, als es ihm einfiel. Alte Filme, wie sie immer sonntagnachmittags gezeigt wurden. Das Rabenviertel. Solche Dinge sagte man in diesen Filmen.
Eli wartete an der Straße auf ihn, zwanzig Meter vom Kiosk entfernt. Oskar joggte zu ihr, versuchte möglichst nicht zu keuchen. Er war mit Eli noch nie beim Kiosk gewesen. Sollte er ihr von der einen Sache erzählen? Ja.
»Du, weißt du eigentlich, dass man ihn ›Den Kiosk des Liebhabers‹ nennt?«
»Warum das?«
»Weil … na ja, ich habe mal gehört, bei einem Elternabend … da war einer, der meinte, … also nicht zu mir, sondern … ich habe es nur gehört. Er hat gesagt, der, dem es gehört, dass er …«
Jetzt bereute er es. Es wurde albern. Peinlich. Eli breitete die Hände aus.
»Was denn?«
»Ach, dass der, dem es gehört … dass er Damenbesuch im Kiosk hat. Also, du weißt schon, dass er … wenn der Kiosk geschlossen hat …«
»Ist das wahr?« Eli betrachtete den Kiosk. »Wo ist denn da Platz?«
»Eklig, nicht?«
»Ja.«
Oskar ging auf den Kiosk zu. Eli machte ein paar schnelle Schritte, schloss zu ihm auf, flüsterte: »Die müssen aber schlank sein!«
Beide kicherten. Sie traten in den Lichtschein des Kiosks. Eli verdrehte demonstrativ die Augen in Richtung des Kioskbesitzers, der in seinem Kiosk stand und auf einen kleinen Fernseher starrte.
»Ist er das?«
Oskar nickte.
»Der sieht ja aus wie ein Affe.«
Oskar wölbte seine hohle Hand um Elis Ohr, flüsterte: »Er ist vor fünf Jahren aus dem Zoo ausgebrochen. Sie suchen noch immer nach ihm.«
Eli kicherte und wölbte ihre Hand um Oskars Ohr. Ihr warmer Atem strömte in seinen Kopf.
»Tun sie gar nicht. Sie haben ihn stattdessen hier eingesperrt!«
Beide blickten zu dem Kioskbesitzer auf und begannen lauthals zu lachen; stellten sich den griesgrämigen Kioskbesitzer als einen Affen in seinem Käfig vor, umgeben von Süßigkeiten. Als er sie lachen hörte, wandte sich der Kioskbesitzer zu ihnen um und runzelte seine riesigen Augenbrauen, wodurch er noch mehr einem Gorilla ähnelte. Oskar und Eli mussten derart lachen, dass sie fast hingefallen wären, pressten die Hände gegen ihre Münder und versuchten, wieder ernst zu werden.
Der Kioskbesitzer lehnte sich zur Verkaufsluke vor.
»Wolltet ihr was?«
Eli wurde schnell ernst, zog die Hand vom Mund, ging zur Luke und sagte: »Eine Banane, bitte.«
Oskar prustete und presste seine Hand fester gegen den Mund. Eli drehte sich zu ihm um, legte den Zeigefinger an die Lippen und ermahnte ihn mit gespielter Strenge, leise zu sein. Der Kioskbesitzer rührte sich nicht.
»Ich habe keine Bananen.«
Eli stellte sich verständnislos.
»Keine Banaaanen?«
»Nein. Darf’s etwas anderes sein?«
Oskars Kiefer hatten sich vor lauter unterdrücktem Lachen verkrampft. Er entfernte sich wankend von dem Kiosk, lief ein paar Schritte
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