So finster die Nacht
Mädchen wäre … würdest du mich dann trotzdem mögen?«
»Wie meinst du das?«
»Einfach so. Würdest du mich gern haben, wenn ich kein Mädchen wäre?«
»Ja … ich denke schon.«
»Sicher?«
»Ja. Warum fragst du?«
Jemand zerrte an einem klemmenden Fenster, dann wurde es geöffnet. Hinter Elis Kopf sah Oskar Mama den Kopf aus dem Fenster seines Zimmers stecken.
»Ooooskar!«
Eli zog sich schnell an die Wand zurück. Oskar ballte die Hände zu Fäusten, lief die Böschung hinauf, stellte sich unter das Fenster. Wie ein kleines Kind.
»Was ist denn!?«
»Huch! Da bist du. Ich dachte …«
»Was ist?«
»Es fängt jetzt an.«
»Ich weiß.«
Mama wollte noch mehr sagen, schloss jedoch den Mund und betrachtete ihn, wie er da unter dem Fenster stand, die Fäuste noch immer geballt, der ganze Körper angespannt.
»Was tust du?«
»Ich … ich komme.«
»Ja, weil …«
Seine Augen wurden vor Wut ganz feucht, und Oskar zischte: »Geh rein! Mach das Fenster zu. Geh rein!«
Mama starrte ihn noch einen Augenblick an. Dann huschte etwas über ihr Gesicht, und sie knallte das Fenster zu, ging fort. Oskar hätte sie gerne … nicht zurückgerufen, aber … ihr Gedanken zugesandt. In aller Ruhe erklärt, was los war. Dass sie so etwas nicht tun durfte, dass er eine …
Er lief die Böschung wieder hinunter.
»Eli?«
Sie war nicht da. Und sie war nicht ins Haus gegangen, das hätte er gesehen. Vermutlich war sie zur Bahn gegangen, um zu dieser Tante in der Stadt zu fahren, bei der sie immer nach der Schule war. So war es wohl.
Oskar trat in die dunkle Ecke, in die sie sich zurückgezogen hatte, als Mama ihn gerufen hatte. Stellte sich mit dem Gesicht zur Wand. Blieb so eine Weile stehen. Dann ging er hinein.
*
Håkan schleifte den Jungen in die Kabine und schloss die Tür hinter sich ab. Der Junge hatte kaum einen Mucks von sich gegeben. Das Einzige, was jetzt noch Verdacht erregen konnte, war das Zischen aus der Gasflasche. Er musste schnell arbeiten.
Wenn er direkt mit dem Messer angreifen könnte, wäre alles so viel einfacher, aber nein, das ging nicht. Das Blut musste aus einem lebenden Körper kommen. Das war noch so etwas, das ihm erklärt worden war. Blut von Toten war nutzlos, geradezu schädlich.
Nun. Der Junge hier lebte. Seine Brust hob und senkte sich, atmete das betäubende Gas ein.
Er zurrte die Beine des Jungen gleich oberhalb der Knie mit dem Seil fest, legte die beiden Seilenden über den Haken und zog. Die Beine des Jungen hoben sich vom Boden.
Eine Tür öffnete sich, man hörte Stimmen.
Er hielt das Seil mit der einen Hand fest, drehte mit der anderen das Gas ab, entfernte das Mundstück. Die Betäubung würde einige Minuten anhalten, er musste möglichst lautlos weiterarbeiten, ganz gleich, ob da draußen Leute waren oder nicht.
Es waren mehrere Männer. Zwei, drei, vier? Sie sprachen über Schweden und Dänemark. Irgendein Länderspiel. Handball. Während sie sprachen, zog er den Körper des Jungen hoch. Der Haken knirschte, die Belastung kam aus einem anderen Winkel als vorhin, als er selber sich an ihn gehängt hatte. Die Männer draußen verstummten. Hatten sie etwas gehört? Er rührte sich nicht, atmete kaum. Hielt den Körper, dessen Kopf soeben vom Fußboden abgehoben hatte, in der gleichen Position.
Nein. Sie hatten nur kurz ihre Unterhaltung unterbrochen, sprachen jetzt weiter.
Redet weiter, redet weiter.
»Sjögrens Siebenmeter war doch absolut …«
»Was man nicht in den Armen hat, muss man eben im Köpfchen haben.«
»Er kann sie auch so ganz gut reinhämmern.«
»Also dieser Effet, ich fasse es einfach nicht, wie er das macht …«
Der Kopf des Jungen hing einige Zentimeter über dem Boden frei in der Luft. Jetzt …
Wo sollte er die Seilenden befestigen? Die Ritzen zwischen den Brettern der Sitzbank waren zu schmal, um ein Seil hindurchzuziehen. Er konnte doch unmöglich mit einer Hand arbeiten, während er mit der anderen das Seil festhielt. Dazu fehlte ihm die Kraft. Die Seilenden in seinen geballten Fäusten haltend, stand er still, schwitzte. Die Skimütze war warm, er sollte sie besser ausziehen.
Später. Wenn es vorbei ist.
Der zweite Haken, er musste nur erst eine Schlaufe machen. Schweiß lief ihm in die Augen, als er den Körper des Jungen absenkte, damit das Seil erschlaffte und er eine Schlaufe binden konnte. Anschließend zog er den Jungen wieder hoch und versuchte, sie um den Haken zu legen. Zu kurz. Er ließ den Jungen wieder herab.
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