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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Die Männer verstummten.
    Nun geht schon! Geht!
    In der neuerlichen Stille machte er weiter oben aus den Seilenden eine neue Schlaufe, wartete. Sie nahmen ihr Gespräch wieder auf. Bowling. Die Erfolge der schwedischen Frauen in New York. Strike und spare, und der Schweiß ließ seine Augen brennen.
    Heiß. Warum ist es nur so heiß.
    Es gelang ihm, die Schlaufe um den Haken zu legen, und er atmete auf. Konnten sie nicht endlich gehen?
    Der Körper des Jungen hing nun in der richtigen Position, jetzt galt es nur noch, schnell zur Tat zu schreiten, ehe er aufwachte, und konnten sie nicht gefälligst gehen. Aber sie schwelgten in Bowlingerinnerungen und ließen sich darüber aus, wie man früher gespielt hatte, und einer hatte mit dem Daumen in der Kugel festgehangen, und man hatte ihn ins Krankenhaus fahren müssen, um sie wieder entfernen zu lassen.
    Er konnte nicht länger warten. Er setzte den Trichter auf den Kanister, stellte ihn an den Hals des Jungen, griff nach dem Messer. Als er sich umdrehte, um das Blut aus dem Jungen abzuzapfen, war das Gespräch draußen einmal mehr verstummt. Und die Augen des Jungen standen offen. Weit offen. Er hing kopfüber, und seine Pupillen irrten umher, suchten etwas, das sie fixieren konnten, versuchten zu verstehen. Sie verharrten bei Håkan, der nackt, mit dem Messer in der Hand, in der Kabine stand. Einen kurzen Moment sahen sie sich in die Augen.
    Dann öffnete der Junge den Mund und schrie wie am Spieß.
    Håkan schreckte zurück und stieß mit einem dumpfen Laut gegen die Kabinenwand. Sein verschwitzter Rücken rutschte über die Wand, und er hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Der Junge schrie immer weiter. Das Geräusch schallte durch die Umkleideräume, hallte zwischen den Wänden wider, wurde so verstärkt, dass es Håkan ohrenbetäubend vorkam. Seine Hand schloss sich fester um den Griff des Messers, und sein einziger Gedanke war: Er musste den Schrei des Jungen zum Verstummen bringen. Die Kehle öffnen, damit er nicht mehr schrie. Er ging vor dem Jungen in die Hocke.
    Jemand hämmerte gegen die Tür.
    »Hallo! Aufmachen!«
    Håkan ließ das Messer fallen. Das Klirren, als es zu Boden fiel, wurde vom Hämmern und den unaufhörlichen Schreien des Jungen fast gänzlich übertönt. Unter den Schlägen von draußen erzitterte die Tür in ihren Angeln.
    »Aufmachen! Ich schlage die Tür ein!«
    Aus. Es war aus. Er konnte nur noch eines tun. Die Geräusche um ihn herum verschwanden, und das Gesichtsfeld verengte sich zu einem Tunnel, als sein Kopf sich zur Tasche umwandte. Durch den Tunnel sah er seine Hand, die sich in die Tasche streckte und das Marmeladenglas herausholte.
    Er plumpste mit dem Marmeladenglas in den Händen auf den Po, schraubte den Deckel ab. Wartete.
    Sobald sie die Tür aufgebrochen hatten. Bevor sie ihm die Mütze abziehen konnten. Das Gesicht.
    Inmitten des Geschreis und der Schläge an die Tür, dachte er an seinen Geliebten. An ihre gemeinsame Zeit. Er beschwor das Bild seines Geliebten als Engel herauf. Ein Engel in Jungengestalt, der nun aus dem Himmel herabstieg, seine Schwingen ausbreitete und kam, um ihn zu holen, ihn fortzutragen. An einen Ort, an dem sie für immer zusammen sein würden. Für immer.
    Die Tür flog auf und krachte gegen die Wand. Der Junge schrie weiter. Im Gang standen drei mehr oder weniger bekleidete Männer. Sie starrten verständnislos auf die Szene vor ihnen.
    Håkan nickte bedächtig, akzeptierte.
    Dann schrie er:
    »Eli! Eli!« und goss sich die konzentrierte Salzsäure über das Gesicht.
    *
    »Lobet froh den Herrn, ihr jugendlichen Chöre! Er höret gern ein Lied zu seiner Ehre:
    Lobt froh den Herrn, lobt froh den Herrn!«
    Staffan begleitete sich und Tommys Mutter auf dem Klavier. Von Zeit zu Zeit sahen sie sich in die Augen, lächelten und strahlten. Tommy saß auf der Ledercouch und litt. Er hatte unten an der Armlehne ein kleines Loch gefunden, und während Mama und Staffan sangen, widmete er sich der Aufgabe, es zu vergrößern. Sein Zeigefinger grub kreiselnd in der Polsterung, und er fragte sich, ob Staffan und Mama jemals auf dieser Couch miteinander geschlafen hatten. Unter den Barometern.
    Das Essen war okay gewesen, eine Art mariniertes Hühnchen mit Reis. Nach dem Essen hatte Staffan Tommy den Safe gezeigt, in dem er seine Pistolen verwahrte. Er stand unter dem Bett im Schlafzimmer, und Tommy hatte sich dort das Gleiche gefragt. Hatten sie in diesem Bett miteinander geschlafen? Dachte Mama an Papa,

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