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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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würde nicht schief gehen. Er sah alles im Detail vor sich, als er seine Schritte beschleunigte und Kurs auf den Eingang nahm. Er war wie im Rausch. Der Stoff seiner Skimütze wurde an der Nase feucht von kondensiertem Wasserdampf, als er heftig ein- und ausatmete.
    Dies würde er seinem Geliebten heute Nacht erzählen können, ihm erzählen, während er mit zitternder Hand den festen, gewölbten Po streichelte, alles bis in alle Ewigkeit im Gedächtnis bewahrte.
    Er betrat den Eingangsbereich, und der vertraute, milde Chlorgeruch stieg ihm in die Nase. Die vielen Stunden, die er im Schwimmbad verbracht hatte. Mit den anderen oder allein. Die jungen Körper, die in greifbarer Nähe, jedoch außer Reichweite verschwitzt oder feucht glänzten. Nichts als Bilder, die man hegen und heraufbeschwören konnte, wenn man mit Toilettenpapier in der einen Hand in seinem Bett lag. Durch den Chlorgeruch fühlte er sich geborgen, heimisch. Er ging zur Kasse.
    »Einmal, bitte.«
    Die Kassiererin blickte von ihrer Illustrierten auf. Ihre Augen weiteten sich ein wenig. Er machte eine Geste zu seinem Gesicht, zur Mütze.
    »Es ist kalt.«
    Sie nickte unsicher. Sollte er die Mütze abziehen? Nein. Er wusste, wie er es anstellen musste, damit sie nicht misstrauisch wurde.
    »Schrank?«
    »Eine Kabine, bitte.«
    Sie schob ihm einen Schlüssel zu, und er bezahlte. Während er sich von der Kasse abwandte, zog er seine Skimütze ab. So hatte sie zwar gesehen, dass er sie auszog, nicht aber sein Gesicht. Er war brillant. Schnellen Schrittes ging er zu den Umkleiden, blickte für den Fall, dass ihm jemand begegnete, zu Boden.
    *
    »Herzlich willkommen. Tretet ein in meine bescheidene Behausung.«
    Tommy betrat an Staffan vorbei den Flur; hinter ihm hörte man schmatzende Laute, als seine Mutter und Staffan sich küssten. Staffan sagte leise: »Hast du …?«
    »Nein. Ich dachte …«
    »Mm. Wir werden …«
    Erneutes Schmatzen. Tommy schaute sich ein wenig um. Er war bisher noch nie bei einem Bullen zu Hause gewesen und war deshalb widerwillig ein wenig neugierig darauf, wie es bei so jemandem aussah.
    Doch schon im Flur erkannte er, dass Staffan kaum repräsentativ für das Polizeicorps sein konnte. Er hatte sich vorgestellt, dass es … nun ja, dass es wie in den Krimis aussah. Ein bisschen schmucklos und karg. Ein Ort, an dem man sich zwischendurch schlafen legte, wenn man ausnahmsweise nicht unterwegs war, um Ganoven zu jagen.
    Also Typen wie mich.
    Nein. Staffans Wohnung war … etepetete. Der Flur sah aus, als hätte ihn jemand eingerichtet, der alles aus diesen kleinen Katalogen kaufte, die als Reklame im Briefkasten lagen.
    Hier hing ein Samtbild von einem Sonnenuntergang, dort stand eine kleine Almhütte mit einer Tante auf einem Stöckchen, das aus der Tür herausragte. Hier lag ein Spitzentuch auf dem Telefontischchen; neben dem Telefon stand eine Gipsfigur von einem Hund und einem Kind. Auf dem Sockel las er die Inschrift: »KANNST DU NICHT SPRECHEN?«
    Staffan hob die Figur hoch.
    »Tolles Ding, was? Nimmt je nach Wetter eine andere Farbe an.«
    Tommy nickte. Entweder hatte Staffan sich die Wohnung von seinem alten Mütterlein speziell für diesen Besuch ausgeliehen, oder er war eindeutig nicht ganz richtig im Kopf. Staffan stellte behutsam die Figur zurück.
    »Weißt du, ich sammle solche Dinge. Gegenstände, die anzeigen, wie das Wetter wird. Das hier zum Beispiel.«
    Er stieß die Tante an, die aus der Almhütte herausschaute, und sie schwang in die Hütte zurück, und heraus kam stattdessen ein kleines Männlein.
    »Wenn das Weiblein draußen ist, wird das Wetter schlecht, und wenn das Männlein draußen ist …«
    »Wird es noch schlechter.«
    Staffan lachte auf, aber in Tommys Ohren klang es ein wenig gekünstelt.
    »Es funktioniert nicht besonders gut.«
    Tommy warf einen Blick auf seine Mutter, und was er sah, machte ihm beinahe Angst. Sie hatte immer noch den Mantel an, ihre Hände umklammerten einander krampfhaft, und sie hatte ein Lächeln aufgesetzt, das ein Pferd zum Scheuen gebracht hätte. Sie hatte panische Angst. Tommy beschloss, sich etwas Mühe zu geben.
    »Also wie ein Barometer?«
    »Ja, genau. So habe ich angefangen. Mit Barometern. Das Sammeln, meine ich.«
    Tommy zeigte auf ein kleines Holzkreuz mit einem Silberjesus, das an der Wand hing.
    »Ist das auch ein Barometer?«
    Staffan sah Tommy an, das Kreuz, dann wieder Tommy, und wurde plötzlich ernst.
    »Nein, das ist es nicht. Das ist Christus.«
    »Der

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