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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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wirken.
    Die beiden Männer schienen zu gehen. Er hörte ihre Stimmen.
    »Und die Arbeit?«
    »Das Übliche. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.«
    »Wie bitte?«
    »Nur umgekehrt.«
    Er kicherte; in seinem Kopf kippte die Stimmung. Er war zu erregt, atmete zu heftig. Sein Körper bestand aus Schmetterlingen, die in alle Richtungen davonfliegen wollten.
    Ruhig. Ruhig. Ruhig.
    Er atmete tief durch, bis ihm leicht schwindlig wurde, und zog sich dann aus. Faltete seine Kleider zusammen und legte sie in die Tasche. Die beiden Männer verließen den Umkleideraum. Es wurde still. Er probierte aus, sich auf die Bank zu stellen und hinauszuschauen. Doch, seine Augen lugten gerade so über den Rand. Drei Jungen, die dreizehn oder vierzehn Jahre alt sein mochten, kamen herein. Einer von ihnen klatschte einem anderen ein zusammengedrehtes Handtuch auf den Po.
    »Scheiße, hör auf!«
    Er senkte den Kopf. Weiter unten spürte er, wie seine Erektion in die Ecke gepresst wurde wie zwischen zwei feste, weit gespreizte Pobacken.
    Ruhig. Ruhig.
    Er lugte wieder über den Rand hinweg. Zwei Jungen hatten ihre Badehosen ausgezogen und beugten sich in ihre Schränke vor, um ihre Kleider herauszuholen. Sein Unterleib zog sich in einem einzigen heftigen Krampf zusammen, und das Sperma spritzte in die Ecke und lief auf die Bank hinunter, auf der er stand.
    Jetzt. Ruhig.
    Ja. Jetzt fühlte er sich besser. Aber das Sperma war nicht so gut. Spuren.
    Er holte seine Strümpfe aus der Tasche und wischte die Ecke und die Bank trocken, so gut es ging. Dann legte er die Strümpfe in die Tasche zurück und setzte die Mütze auf, während er dem Gespräch der Jungen lauschte.
    »… neuen Atari. Enduro. Willst du mitkommen und ein bisschen fahren?«
    »Nee, ich muss noch ein paar Dinge …«
    »Und du?«
    »Okay. Hast du denn zwei Joysticks?«
    »Nein, aber …«
    »Sollen wir nicht erst noch meinen holen? Dann können wir beide fahren.«
    »Okay. Tschüss, Matte.«
    »Tschüss.«
    Zwei Jungen schienen sich auf den Weg zu machen. Die Lage war perfekt. Einer würde zurückbleiben, ohne dass die anderen auf ihn warteten. Erneut wagte er einen Blick über den Kabinenrand. Zwei Jungen waren fertig und schon unterwegs nach draußen. Der dritte zog sich gerade die Strümpfe an. Håkan duckte sich, ihm war eingefallen, dass er die Mütze anhatte. Zum Glück hatten sie ihn nicht gesehen.
    Er griff nach der Halothanflasche, legte die Finger auf den Hebel. Sollte er die Mütze anbehalten? Falls der Junge entkam. Falls jemand in den Umkleideraum kam. Falls …
    Verdammt. Es war ein Fehler gewesen, sich auszuziehen. Falls er schnell die Flucht ergreifen musste. Er hatte keine Zeit zu überlegen. Er hörte den Jungen seinen Schrank abschließen und Richtung Ausgang gehen. In fünf Sekunden würde er an der Kabinentür vorbeikommen. Für Erwägungen dieser Art war es jetzt zu spät.
    In der Spalte zwischen Türrand und Wand sah er einen Schatten vorbeiziehen. Er blockierte alle Gedanken, drehte den Schlüssel, warf die Tür auf und stürzte hinaus.
     
    Mattias drehte sich um und sah einen großen, weißen, nackten Körper mit einer Skimütze auf dem Kopf, der auf ihn zuschoss. Nur ein Gedanke, zwei Worte schossen ihm durch den Kopf, ehe sein Körper sich instinktiv nach hinten warf:
    Der Tod.
    Er schreckte vor dem Tod zurück, der ihn holen wollte. In der Hand hielt der Tod etwas Schwarzes. Dieses Schwarze flog nun auf sein Gesicht zu, und er sog Luft in die Lunge, um zu schreien.
    Doch noch vor seinem Schrei war das Schwarze über ihm, bedeckte seinen Mund, seine Nase. Eine Hand packte seinen Hinterkopf, presste sein Gesicht in dieses Schwarze, Weiche. Aus dem Schrei wurde nur ein ersticktes Jammern, und während er seinen verstümmelten Schrei hervorjaulte, hörte er ein Zischen wie von einer Nebelmaschine.
    Erneut versuchte er zu schreien, aber als er einatmete, geschah etwas mit seinem Körper. Eine Betäubung breitete sich in allen Gliedern aus, und sein nächster Schrei war nur noch ein Piepsen. Er atmete von Neuem ein, und seine Beine gaben nach, bunte Schleier flatterten vor seinen Augen.
    Er wollte nicht mehr, konnte nicht mehr schreien. Die Schleier bedeckten inzwischen sein ganzes Gesichtsfeld. Er hatte keinen Körper mehr. Die Farben tanzten.
    Rücklings fiel er in den Regenbogen.
    *
    Oskar hielt den Zettel mit dem Morsealphabet in der einen Hand und klopfte mit der anderen die Buchstaben gegen die Wand. Ein Klopfen mit dem Knöchel stand für

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