Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
Vom Netzwerk:
besser.
    *
    »Hallo. Ich sollte eigentlich meinen Papa treffen, aber er ist nicht gekommen und … dürfte ich vielleicht hereinkommen und kurz telefonieren?«
    »Ja natürlich.«
    »Darf ich hereinkommen?«
    »Das Telefon steht gleich da drüben.«
    Die Frau zeigte in den Flur; auf einem kleinen Tischchen stand ein graues Telefon. Eli stand weiterhin vor der Wohnungstür, war noch nicht eingeladen worden. Unmittelbar hinter der Tür stand ein gusseiserner Igel mit Piassavastacheln. Eli putzte sich die Schuhe an ihm ab, um zu übertünchen, dass sie nicht eintreten konnte.
    »Darf ich wirklich?«
    »Ja, ja. Komm herein, komm herein.«
    Die Frau machte eine müde Geste; Eli war eingeladen. Die Frau schien das Interesse verloren zu haben und ging ins Wohnzimmer, aus dem das statische Rauschen eines Fernsehapparats zu Eli hinausdrang. Ein langes, gelbes Seidenband, das in den graumelierten Haaren der Frau verknotet war, schlängelte sich wie eine zahme Schlange den Rücken hinab.
    Eli betrat den Flur, zog Schuhe und Jacke aus, hob den Hörer ab, wählte irgendeine Nummer, tat so, als spräche sie mit jemandem, legte wieder auf.
    Sog Luft durch die Nase ein. Bratengeruch, Putzmittel, Erde, Schuhcreme, Winteräpfel, feuchter Stoff, Elektrizität, Staub, Schweiß, Tapetenkleister und … Katzenurin.
    Ja. Eine pechschwarze Katze stand im Türrahmen zur Küche und fauchte. Ihre Ohren waren angelegt, das Fell gesträubt, der Rücken gebuckelt. Um den Hals trug sie ein rotes Band mit einem kleinen Metallzylinder, vermutlich konnte man einen Zettel mit Namen und Adresse hineinlegen.
    Eli ging einen Schritt auf die Katze zu, die ihre Zähne bleckte, fauchte. Ihr Körper war sprungbereit. Noch ein Schritt.
    Die Katze trat den Rückzug an, wich zurück, dabei weiter fauchend und den Blick auf Elis Augen richtend. Der Hass, der ihren Körper durchzuckte, ließ den Metallzylinder erzittern. Sie maßen einander. Eli bewegte sich langsam vorwärts, zwang die Katze zurück, bis sie in der Küche war, und schloss die Tür.
    Hinter ihr fuhr die Katze fort, zu fauchen und zu jaulen. Eli ging ins Wohnzimmer.
    Die Frau saß auf einer Ledercouch, die so blankgewetzt war, dass sie das Fernsehlicht reflektierte. Sie saß aufrecht und schaute starr auf den bläulich flimmernden Bildschirm. In ihre Haare war an einer Seite eine gelbe Schleife gebunden. Auf der anderen Seite hatte sich die Schleife zu einem gelben Band gelöst. Auf dem Couchtisch vor ihr standen eine Schale mit Keksen und ein Käseteller mit drei verschiedenen Käsen, eine ungeöffnete Weinflasche und zwei Gläser.
    Die Frau schien Elis Gegenwart überhaupt nicht wahrzunehmen, war ganz darauf konzentriert, was auf dem Bildschirm geschah. Ein Naturprogramm. Pinguine am Südpol.
    »Das Männchen trägt das Ei auf seinen Füßen, damit es nicht mit der Eisfläche in Kontakt kommt.«
    Eine Karawane von Pinguinen bewegte sich watschelnd durch eine Eiswüste. Eli setzte sich auf die Couch, neben die Frau, die ganz steif saß, so als wäre der Fernsehapparat ein strenger Lehrer, der sie gerade zurechtwies.
    »Wenn das Weibchen drei Monate später zurückkehrt, sind die Fettvorräte des Männchens so gut wie aufgebraucht.«
    Zwei Pinguine rieben ihre Schnäbel aneinander, begrüßten sich.
    »Erwarten Sie Besuch?«
    Die Frau zuckte zusammen und sah Eli sekundenlang verständnislos in die Augen. Die gelbe Schleife hob hervor, wie verlebt ihr Gesicht aussah. Sie schüttelte kurz den Kopf.
    »Nein, bedien dich.«
    Eli rührte sich nicht. Das Fernsehbild wechselte zu einem Panorama über Südgeorgien, untermalt von Musik. In der Küche war das Miauen der Katze einem … flehenden Laut gewichen. Das Zimmer roch chemisch. Die Frau dünstete einen Krankenhausgeruch aus.
    »Kommt jemand? Hierher?«
    Erneut zuckte die Frau zusammen, als wäre sie geweckt worden, und wandte sich Eli zu. Diesmal wirkte sie allerdings gereizt, zwischen ihren Augenbrauen zeigte sich eine steile Falte.
    »Nein. Es kommt keiner. Iss ruhig, wenn du willst.« Sie zeigte mit gestrecktem Zeigefinger der Reihe nach auf die drei Käse: »Camembert, Gorgonzola, Roquefort. Iss. Iss.«
    Sie sah Eli auffordernd an, und Eli nahm einen Keks, steckte ihn sich in den Mund und kaute bedächtig. Die Frau nickte und wandte sich erneut dem Bildschirm zu. Eli spuckte die glibbrige Keksmasse in die Hand und ließ sie hinter der Armlehne auf den Fußboden fallen.
    »Wann wirst du gehen?«, fragte die Frau.
    »Bald.«
    »Bleib ruhig,

Weitere Kostenlose Bücher