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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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solange du willst. Mir macht das nichts aus.«
    Eli rückte näher, als wollte sie den Bildschirm besser sehen können, bis sich ihre Arme berührten. Daraufhin geschah etwas mit der Frau. Ein Zittern durchlief sie, und sie sackte in sich zusammen, wurde weich wie ein aufgeschnittenes Kaffeepaket. Als sie nun Eli ansah, war ihr Blick sanft, verträumt.
    »Wer bist du?«
    Elis Augen waren zwanzig Zentimeter von ihren entfernt. Krankenhausgeruch entströmte dem Mund der Frau.
    »Ich weiß es nicht.«
    Die Frau nickte, streckte sich nach der Fernbedienung auf dem Couchtisch und schaltete den Fernsehton ab.
    »Im Frühling erblüht Südgeorgien mit karger Schönheit …«
    Das Flehen der Katze war nun deutlich zu hören, aber die Frau schien es nicht weiter zu beachten. Sie zeigte auf Elis Schenkel. »Darf ich …«
    »Ja, natürlich.«
    Eli rückte ein wenig fort von der Frau, die ihre Beine unter sich zog und den Kopf auf Elis Schenkel bettete. Eli strich ihr sachte über die Haare. So saßen sie eine ganze Weile. Glänzende Walrücken durchbrachen die Meeresoberfläche, spritzten eine Wasserfontäne heraus, verschwanden.
    »Erzähl mir etwas«, sagte die Frau.
    »Was soll ich denn erzählen?«
    »Etwas Schönes.«
    Eli strich der Frau eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie atmete jetzt ruhig, und ihr Körper war vollkommen entspannt. Eli sprach mit leiser Stimme.
    »Einmal … vor sehr langer Zeit. Da gab es einen armen Bauern und seine Frau. Sie hatten drei Kinder. Einen Jungen und ein Mädchen, die alt genug waren, um zusammen mit den Erwachsenen zu arbeiten. Und dann noch einen kleinen Jungen, erst elf Jahre alt. Alle, die ihn sahen, sagten, er sei das schönste Kind, das sie jemals gesehen hätten.
    Der Vater war leibeigener Bauer und musste viele Tagwerke für den Gutsbesitzer arbeiten, dem das Land gehörte. Deshalb kümmerten sich oftmals die Mutter und die Kinder um das Haus und den Garten der Familie. Der jüngste Junge war zu nicht viel zu gebrauchen.
    Eines Tages schrieb der Gutsherr einen Wettbewerb aus, an dem alle Familien auf seinen Ländereien teilnehmen mussten. Alle, die einen Sohn im Alter von acht bis zwölf Jahren hatten. Es wurden keine Belohnungen oder Preise versprochen. Dennoch wurde es Wettbewerb genannt.
    Am Tag des Wettbewerbs zog die Mutter mit ihrem Jüngsten zum Schloss des Gutsherrn. Sie waren nicht allein. Sieben andere Kinder mit einem Elternteil oder beiden Eltern hatten sich bereits auf dem Schlosshof versammelt. Und weitere drei kamen noch hinzu. Arme Familien, die Kinder in den feinsten Kleidern, die sie besaßen.
    Sie warteten den ganzen Tag auf dem Schlosshof. Als es dämmerte, trat ein Mann aus dem Schloss und erklärte, sie könnten nun eintreten.«
    Eli lauschte dem Atem der Frau, er ging tief und langsam. Sie schlief. Ihre Atemluft schlug warm gegen Elis Knie. Gleich unter ihrem Ohr konnte Eli den Puls unter schlaffer, runzliger Haut ticken sehen.
    Die Katze war verstummt.
    Auf dem Bildschirm lief inzwischen der Abspann des Naturprogramms. Eli legte den Zeigefinger auf die Halsschlagader der Frau, spürte ihr pickendes Vogelherz unter den Fingerspitzen. Eli presste sich gegen die Rückenlehne der Couch und schob den Kopf der Frau vorsichtig nach vorn, sodass er auf Elis Knien ruhte. Der stechende Geruch des Roqueforts schwächte alle anderen Gerüche ab. Eli zog eine Decke von der Rückenlehne der Couch hinab, streckte sich und breitete sie über die Käsestücke.
    Ein schwaches Säuseln; die Atmung der Frau. Eli beugte sich hinab, hielt ihre Nase dicht an die Schlagader der Frau. Seife, Schweiß, der Duft alter Haut … dieser Krankenhausgeruch … noch etwas anderes, der Eigengeruch der Frau. Und darunter, durch all dies hindurch: das Blut.
    Die Frau brummte, als Elis Nase ihren Hals berührte, und wollte den Kopf drehen, aber Eli schlang einen Arm fest um Arme und Brust der Frau, hielt mit der anderen ihren Kopf fest. Öffnete den Mund so weit es ging, führte ihn zum Hals hinab, bis die Zunge gegen die Schlagader gepresst wurde, und biss zu. Verwandelte die Kiefer in einen Schraubstock.
    Die Frau zuckte zusammen, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen. Ihr Körper streckte sich, und die Füße schlugen mit solcher Wucht krachend gegen die Armlehne, dass die Frau fortgeschleudert wurde und die Frau mit ihrem Rücken auf Elis Schoß lag.
    Blut spritzte in Schüben aus der offenen Arterie und plätscherte auf das braune Leder der Couch herab. Die Frau schrie und

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