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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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hatten es ihr erzählt. Alles, was Gösta über Jocke, die Brücke, das Kind berichtet hatte. Dann waren sie in Schweigen verfallen. Virginia klirrte mit dem Eis in ihrem Glas, betrachtete, wie sich das gedämpfte Licht der Deckenlampen in den halb geschmolzenen Eiswürfeln spiegelte.
    »Eins verstehe ich nicht. Wenn das wirklich passiert ist, was Gösta erzählt. Wo ist er dann? Also Jocke.«
    Karlssons Miene hellte sich auf, als wäre dies eine Gelegenheit, auf die er nur gewartet hatte.
    »Das habe ich auch schon versucht zu sagen. Wo ist die Leiche? Wenn man …«
    Morgan hielt Karlsson einen warnenden Zeigefinger entgegen.
    »Du nennst Jocke nicht ›die Leiche‹.«
    »Wie soll ich ihn dann nennen? Der Verblichene? «
    »Du sollst ihn gar nichts nennen, ehe wir nicht wissen, was passiert ist.«
    »Aber das versuche ich doch gerade zu sagen. Solange wir keine L… solange sie ihn nicht … gefunden haben, können wir nicht …«
    »Wer sind denn sie? «
    »Tja, was meinst du wohl? Die Hubschrauberdivision in Berga? Die Polizei natürlich.«
    Larry rieb sich mit einem leisen Glucksen ein Auge.
    »Das ist wirklich ein Problem. Solange sie ihn nicht gefunden haben, haben sie kein Interesse an der Sache, und solange sie kein Interesse daran haben, werden sie nicht nach ihm suchen.«
    Virginia schüttelte den Kopf. »Dann müsst ihr eben zur Polizei gehen und sagen, was ihr wisst.«
    »Ach, und was sollen wir deiner Meinung nach sagen?«, kollerte Morgan. »Hallo, jetzt lasst doch mal den ganzen Scheiß mit diesem Kindermörder, dem U-Boot und dem anderen Krempel liegen, denn wir sind drei fröhliche Saufkumpane, und einer unserer Zechbrüder ist verschwunden, und jetzt hat ein anderer von unseren Saufkumpanen erzählt, eines Abends, als er sich mächtig einen hinter die Binde gegossen hatte, da hat er gesehen … ja, was eigentlich?«
    »Und was ist mit Gösta? Er hat es doch gesehen, er ist es doch, der …«
    »Ja, ja. Sicher. Aber der ist doch so verdammt wirr. Raschele ein bisschen mit einer Uniform vor seiner Nase, und er bricht zusammen und ist reif für die Klapsmühle. Der packt das doch gar nicht. Verhöre und so.« Morgan zuckte mit den Schultern. »Die Sache ist gelaufen.«
    »Wollt ihr es einfach dabei belassen?«
    »Ja, was zum Teufel sollen wir denn sonst tun?«
    Lacke, der sich während dieses Wortwechsels sein Bier einverleibt hatte, sagte etwas, aber so leise, dass die anderen es nicht verstanden. Virginia lehnte sich ihm entgegen und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
    »Was hast du gesagt?«
    Lacke stierte auf die nebelverhangene Tuschlandschaft auf seiner Tellerunterlage und flüsterte: »Du hast gesagt. Dass wir ihn schnappen würden.«
    Morgan hämmerte auf den Tisch, dass die Biergläser hochsprangen, streckte die Hand vor sich aus wie eine Klaue.
    »Das werden wir auch. Aber dazu müssen wir erst einmal etwas haben, dem wir nachgehen können.«
    Lacke nickte schlafwandlerisch und wollte aufstehen.
    »Ich muss nur mal …«
    Seine Beine gaben nach, und er knallte begleitet vom Klirren fallender Gläser nach vorn auf den Tisch, sodass sich alle acht Essensgäste umdrehten und hinüberschauten. Virginia packte Lackes Schulter und richtete ihn wieder auf. Lackes Augen waren weit weg.
    »Entschuldigt, ich …«
    Der Kellner eilte zu ihrem Tisch, dabei fieberhaft seine Hände an der Schürze abreibend. Er beugte sich zu Lacke und Virginia hinab und flüsterte wütend: »Dies ist ein Restaurant, kein Schweinestall.«
    Virginia lächelte ihn herzallerliebst an, während sie Lacke auf die Beine half.
    »Komm, Lacke, wir gehen zu mir.«
    Mit einem vorwurfsvollen Blick auf die anderen Jungs ging der Kellner rasch zu Lacke und Virginia, stützte Lacke auf der anderen Seite, um den übrigen Gästen zu demonstrieren, dass er ebenso bedacht war wie sie, dieses für eine ruhige Mahlzeit so störende Element zu entfernen.
    Virginia half Lacke in seinen schweren, altmodisch eleganten Mantel – ein Erbstück von seinem Vater, der vor ein paar Jahren gestorben war – und bugsierte ihn zur Tür.
    Hinter sich hörte sie ein paar vielsagende Pfiffe von Morgan und Karlsson. Mit Lackes Arm auf ihrer Schulter wandte sie sich zu ihnen um und vergoss Krokodilstränen. Dann zog sie die Eingangstür auf und verließ das Restaurant.
    Schnee fiel in großen, langsamen Flocken und schuf für die beiden einen Raum aus Kälte und Stille. Virginias Wangen röteten sich, als sie Lacke zum Parkweg führte. So war es

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