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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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das willst.«
    »Nein!«
    »Willst du nicht?«
    »Nein, das will ich nicht!«
    Eli runzelte die Stirn.
    »Macht man denn irgendetwas Besonderes mit einem, mit dem man geht?«
    »Nein.«
    »Es ist einfach … wie sonst auch?«
    »Ja.«
    Elis Miene hellte sich auf, und sie verschränkte die Hände auf dem Bauch und sah Oskar an.
    »Dann will ich mit dir gehen. Dann sind wir zusammen.«
    »Du gehst mit mir?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    Voller stiller Freude im Bauch fuhr Oskar fort, die Buchrücken zu studieren. Eli lag still, wartete. Nach einer Weile sagte sie:
    »Sonst ist nichts mehr?«
    »Nein.«
    »Können wir nicht wieder so liegen wie eben?«
    Oskar legte sich mit dem Rücken zu ihr. Sie schloss ihre Arme um ihn, und er nahm ihre Hände in seine. So blieben sie liegen, bis Oskar allmählich schläfrig wurde. Sein Blick trübte sich, und es fiel ihm zunehmend schwer, die Augen offen zu halten. Ehe er in den Schlaf hinüberglitt, sagte er:
    »Eli?«
    »Mmm?«
    »Es war gut, dass du gekommen bist.«
    »Ja.«
    »Warum … riechst du nach Benzin?«
    Elis Hände pressten sich fester gegen seine Hände, gegen sein Herz. Umarmten ihn. Das Zimmer wurde größer um Oskar, Wände und Decke wurden aufgeweicht, der Fußboden fiel weg, und als er das ganze Bett frei in der Luft schweben spürte, begriff er, dass er schlief.

SAMSTAG, 31. OKTOBER
    Das Nachtlicht ist verbrannt: der muntre Tag
    Reckt sich schon hoch auf dunstigen Bergesspitzen.
    Mein Leben heißt jetzt Gehen, mein Bleiben Tod.
    William Shakespeare – Romeo und Julia, III:5
     
    Grau. Es war alles flauschig grau. Sein Blick wollte einfach nichts fokussieren, es kam ihm vor, als läge er im Inneren einer Regenwolke. Lag? Ja, er lag. Druck gegen Rücken, Po, Fersen. Links von ihm ein zischendes Geräusch. Das Gas. Das Gas war entströmt. Nein. Jetzt wurde es abgeschaltet. Wieder in Gang gesetzt. Im Takt dieses Zischens geschah etwas mit seiner Brust. Sie wurde im Rhythmus des Geräuschs gefüllt, entleert.
    War er noch immer im Hallenbad? War er an das Gas angeschlossen? Wie konnte er dann wach sein? War er wach?
    Håkan versuchte zu blinzeln, aber nichts geschah. Fast nichts. Etwas zuckte vor dem einen Auge, verdunkelte seine Sicht noch zusätzlich. Sein zweites Auge war nicht da. Er versuchte den Mund zu öffnen. Es gab keinen Mund. In Gedanken beschwor er das Bild seines Mundes herauf, wie er ihn in Spiegeln gesehen hatte, versuchte … aber er war nicht da. Da war nichts, was seinen Befehlen gehorcht hätte. Als würde er versuchen, einem Stein Bewusstsein einzuflößen, damit er sich rührte. Kein Kontakt.
    Das Gefühl großer Hitze auf dem ganzen Gesicht. Ein Pfeil des Grauens schoss in seinen Bauch. Sein Kopf war in etwas Heißes, Erstarrtes gepackt. In Wachs. Ein Apparat übernahm für ihn das Atmen, weil sein Gesicht von Wachs bedeckt war.
    Sein Denken streckte sich nach der rechten Hand. Ja. Da war sie. Er öffnete, ballte sie, spürte die Fingerspitzen auf seiner Handfläche. Konnte sie fühlen. Er seufzte erleichtert auf; stellte sich vielmehr einen Seufzer der Erleichterung vor, denn seine Brust bewegte sich im Takt der Maschine, gehorchte nicht seinem Willen.
    Sachte hob er die Hand. Es spannte auf seiner Brust, an der Schulter. Die Hand kam in sein Blickfeld, ein flauschiger Klumpen. Er führte die Hand zum Gesicht, hielt inne. Ein leises Piepen an seiner rechten Seite. Langsam wandte er den Kopf dorthin, fühlte etwas Hartes und Scheuerndes unter dem Kinn und bewegte seine Hand dorthin.
    Eine Metallhülse, die in seinem Hals saß. Aus der Hülse lief ein Schlauch. Er folgte dem Schlauch, so weit es ihm möglich war, bis zu einem geriffelten, metallischen Gegenstand, an dem der Schlauch endete. Er begriff. Dieser Schlauch musste herausgezogen werden, wenn er sterben wollte. Man hatte es so für ihn eingerichtet. Er ließ seine Finger auf dem Anschluss des Schlauches ruhen.
    Eli. Das Schwimmbad. Der Junge. Die Salzsäure.
    Seine Erinnerungen endeten mit dem Abschrauben des Deckels vom Marmeladenglas. Er musste die Säure über sich ausgeschüttet haben. Genau nach Plan. Seine einzige Fehleinschätzung bestand darin, dass er noch lebte. Er hatte Bilder gesehen. Frauen, denen eifersüchtige Männer Säure ins Gesicht geschüttet hatten. Er wollte sein Gesicht nicht berühren, geschweige denn es sehen.
    Sein Griff um den Schlauch wurde fester. Er gab nicht nach, war festgeschraubt. Er versuchte an dem Metallteil zu drehen, und ganz richtig, es drehte sich. Er

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