So finster die Nacht
hatte. Benzin. Oskar senkte den Kopf, roch an ihren Händen. Richtig. Sie waren es, die so rochen.
Lange blieben sie so liegen. Als Oskar hörte, dass Mama im Nebenzimmer gleichmäßig atmete, als ihr Klumpen aus Händen aufgewärmt war und auf seinem Herzen allmählich schwitzig wurde, flüsterte er:
»Wo bist du gewesen?«
»Ich habe mir etwas zu essen besorgt.«
Ihre Lippen kitzelten an seiner Schulter. Sie befreite ihre Hände aus seinen, legte sich auf den Rücken. Oskar blieb einen Augenblick liegen und schaute in Gene Simmons Augen. Dann drehte er sich auf den Bauch. Hinter ihrem Kopf erahnte er, wie die kleinen Gestalten in der Tapete sie neugierig ansahen. Ihre Augen standen weit offen und waren im Mondlicht bläulich schwarz. Auf Oskars Armen bildete sich eine Gänsehaut.
»Und dein Papa?«
»Fort.«
»Fort?«
Oskar sprach unwillkürlich lauter.
»Pssst. Das spielt keine Rolle.«
»Aber … wie jetzt … hat er …«
»Das spielt. Keine Rolle.«
Oskar nickte zum Zeichen, dass er keine Fragen mehr stellen würde, und Eli legte beide Hände unter den Kopf, sah zur Decke.
»Ich fühlte mich einsam. Deshalb bin ich gekommen. Durfte ich das?«
»Ja. Aber … du hast ja nichts an.«
»Entschuldige. Findest du das eklig?«
»Nein. Aber frierst du nicht?«
»Nein. Nein.«
Die weißen Strähnen in ihren Haaren waren verschwunden. Ja, sie sah wesentlich gesünder aus als bei ihrer letzten Begegnung. Die Wangen waren runder, und es zeigten sich Lachgrübchen, als Oskar scherzhaft fragte: »Du bist doch hoffentlich nicht so am Kiosk des Liebhabers vorbeigegangen?«
Eli lachte auf, gab sich anschließend sehr ernst und sagte mit gespenstischer Stimme:
»Doch. Und weißt du was? Er hat den Kopf herausgesteckt und gesagt: ›Koooomm … koooomm … ich habe Süüüüßes und … Banaaaanen …‹«
Oskar bohrte sein Gesicht ins Kissen, Eli drehte sich zu ihm, flüsterte ihm ins Ohr:
»Kooomm … Guuummi … bäääärchen …«
Oskar rief »Nein, nein!« ins Kissen. Sie machte noch eine ganze Weile so weiter. Dann sah Eli sich die Bücher auf seinem Bücherregal an, und Oskar erzählte ihr eine gestraffte Version seines Lieblingsbuchs: Der Nebel, von James Herbert. Elis Rücken leuchtete in der Dunkelheit weiß wie ein großer Bogen Papier, als sie auf dem Bauch im Bett lag und in das Bücherregal blickte.
Er hielt seine Hand so nah an ihre Haut, dass er die Wärme spüren konnte, die von ihr ausging. Dann krümmte er die Finger, ließ sie über ihren Rücken laufen und flüsterte:
»Holterdiholterdipolter. Wie viele Hörner stehen … hoch?«
»Mmm. Acht?«
»Acht gesprochen und wahr gesprochen, holterdiholterdipolter.«
Dann machte Eli das Gleiche bei ihm, aber er war bei weitem nicht so gut darin wie sie, die Zahl der Wirbel zu fühlen. Schnickschnackschnuck gewann er dagegen überlegen. Sieben zu drei. Sie spielten noch einmal, und er gewann mit neun zu eins. Eli ärgerte sich ein wenig.
»Weißt du, was ich nehmen werde?«
»Ja.«
»Aber woher?«
»Ich weiß es einfach. Es ist immer so. Als bekäme ich ein Bild davon.«
»Noch einmal. Diesmal werde ich nicht denken. Einfach nur tun.«
»Versuch’s.«
Sie spielten wieder. Oskar gewann mit acht zu zwei. Eli spielte verbittert, drehte sich zur Wand um.
»Mit dir spiele ich nicht mehr. Du pfuschst.«
Oskar betrachtete ihren Rücken. Traute er sich? Ja, jetzt, wenn sie ihn nicht ansah, ging es.
»Eli. Willst du mit mir gehen?«
Sie drehte sich um, zog sich die Decke bis zum Kinn hinauf.
»Was bedeutet das?«
Oskar richtete den Blick auf die Buchrücken vor sich, zuckte mit den Schultern.
»Dass … ob du mit mir zusammen sein willst, oder so.«
»Was heißt ›zusammen‹?«
Ihre Stimme klang misstrauisch, hart. Oskar beeilte sich zu sagen:
»Du hast vielleicht schon einen Freund in der Schule.«
»Nein, aber … Oskar, ich kann nicht … Ich bin kein Mädchen.«
Oskar schnaubte. »Wie bitte? Bist du ein Junge, oder was?«
»Nein. Nein.«
»Was bist du dann?«
»Nichts.«
»Was heißt denn nichts?«
»Ich bin nichts. Nicht Kind. Nicht alt. Nicht Junge. Nicht Mädchen. Nichts.«
Oskar fuhr mit dem Finger über den Buchrücken von Die Ratten, kniff die Lippen zusammen, schüttelte den Kopf. »Willst du jetzt mit mir gehen oder nicht?«
»Oskar, ich würde ja gerne, aber … können wir nicht einfach weiter so zusammen sein, wie wir es sind?«
»… doch.«
»Bist du traurig? Wir können uns Küsschen geben, wenn du
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