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So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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plausible Grund war irgendetwas mit Stoff. Jocke musste in irgendeine Drogenscheiße verwickelt gewesen sein und die falsche Person hereingelegt haben. Aber warum hatte er denn nichts gesagt?
    Bevor er die Wohnung verließ, leerte Lacke den Aschenbecher, stellte die leere Weinflasche in den Schrank unter der Spüle. Musste sie auf den Kopf stellen, damit sie zwischen den vielen anderen noch Platz fand.
    Ja, verdammt. Zwei kleine Häuschen. Einen Kartoffelacker. Erde auf den Knien und Lerchengesang im Frühling. Und so weiter. Irgendwann.
    Er zog sich die Jacke an und ging hinaus. Als er am ICA-Supermarkt vorbeikam, warf er Virginia, die an der Kasse saß, eine Kusshand zu. Sie lächelte und schnitt ihm eine Grimasse.
    Auf dem Weg zur Ibsengatan begegnete er einem Jungen, der zwei große Papptüten schleppte. Er wohnte im selben Block wie er, aber Lacke wusste nicht, wie er hieß. Lacke nickte ihm zu.
    »Die sehen schwer aus.«
    »Ist schon okay.«
    Lacke sah dem Jungen nach, der seine Tüten weiter in Richtung Hochhäuser schleppte. Er hatte trotz allem so verdammt fröhlich ausgesehen. So sollte man sein. Seine Bürde akzeptieren und mit Freude tragen.
    So sollte man sein.
    Er ging davon aus, auf dem Hof dem Whiskyspendierer vom Chinesen zu begegnen. Der Kerl ging um die Zeit immer spazieren. Manchmal drehte er Runden auf dem Hof. Aber er hatte ihn mittlerweile schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Lacke schielte zu den verdunkelten Fenstern der Wohnung hinauf, in welcher der Mann vermutlich wohnte.
    Der hockt bestimmt da drinnen und säuft. Ich könnte klingeln.
    Ein anderes Mal.
    *
    Als es dämmerte, gingen Tommy und seine Mutter zum Friedhof. Papas Grab lag direkt an dem Wall, durch den er vom Råckstasee getrennt war, weshalb sie den Weg durch den Wald nahmen. Bis sie zum Kanaanvägen kamen, blieb Mama stumm, und Tommy hatte geglaubt, sie würde schweigen, weil sie trauerte, doch als sie auf die kleine Straße bogen, die am Rand des Sees vorbeilief, hüstelte Mama und sagte: »Du, Tommy …«
    »Ja.«
    »Staffan sagt, dass etwas verschwunden ist. Bei ihm zu Hause. Seit wir bei ihm gewesen sind.«
    »Aha.«
    »Weißt du etwas darüber?«
    Tommy schaufelte Schnee in eine Hand, formte einen Schneeball und zielte auf einen Baum. Treffer.
    »Ja. Sie liegt unter seinem Balkon.«
    »Sie ist ihm nämlich ziemlich wichtig, weil …«
    »Ich sage doch, sie liegt unter seinem Balkon.«
    »Wie ist sie dahingekommen?«
    Der schneebedeckte Wall um den Friedhof lag vor ihnen. Ein schwacher rötlicher Lichtschein beleuchtete die Wipfel der Kiefern von unten. Das Grablicht, das Mama in ihrer Hand trug, klirrte. Tommy fragte:
    »Hast du Feuer?«
    »Feuer? Ach so, ja. Ich habe ein Feuerzeug. Wie ist sie denn …«
    »Ist mir hingefallen.«
    Hinter dem Friedhofstor blieb Tommy stehen, schaute auf die Karte; verschiedene Sektoren, markiert mit Buchstaben. Papa lag in Sektor D.
    Im Grunde war das Ganze total krank. Dass man das überhaupt machte. Man verbrannte Menschen, bewahrte ihre Asche auf, vergrub sie in der Erde und nannte den Platz anschließend »Grabstelle 104, Sektor D«.
    Fast drei Jahre waren vergangen. Tommy konnte sich nur noch vage an die Beerdigung erinnern, oder wie man das nennen sollte. Die Sache mit dem Sarg und einer Menge Leute, die abwechselnd weinten und sangen.
    Er erinnerte sich noch, dass seine Schuhe zu groß gewesen waren, Papas Schuhe, sie rutschten, als er nach Hause ging. Er hatte Angst vor dem Sarg gehabt, ihn während der gesamten Beerdigung in der festen Überzeugung angestarrt, dass Papa sich aus ihm erheben und wieder lebendig sein würde, allerdings … verändert.
    Nach der Beerdigung war er zwei Wochen lang in ständiger Furcht vor Zombies herumgelaufen. Vor allem wenn es dunkel wurde, glaubte er in den Schatten jene verkümmerte Gestalt aus dem Krankenhausbett zu sehen, die nicht mehr sein Vater war, und nun wie in den Filmen mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam.
    Diese Angst hatte nach der Urnenbestattung aufgehört. Nur er und Mama, ein Friedhofswächter und ein Priester waren anwesend gewesen. Der Friedhofswächter hatte die Urne vor sich hergetragen und würdevolle Schritte gemacht, während der Priester Mama tröstete. Das Ganze war so verdammt lächerlich gewesen. Die kleine Holzkiste mit Deckel, die so ein alter Knacker im Blaumann vor sich hertrug; wie sollte das etwas mit seinem Vater zu tun haben. Es kam ihm vor wie ein großer Bluff.
    Aber die Angst hatte sich gelegt und

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