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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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aus der Hand genommen und die letzten Tropfen Kaffee in seine Tasse geschüttelt hatte.
    »Wieso?«
    »Du wirkst total unkonzentriert. Weißt du eigentlich, wie lange du vor dich hin gestarrt hast? Als ob du mit offenen Augen schläfst.«
    »Schön wär’s.« Sie stürzte den Kaffee in einem Zug hinunter und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. »Ich bin tatsächlich todmüde.«
    »Jetzt hast du deine Wimperntusche verrieben.«
    »Vielen Dank für den Hinweis. Ich wollte die Augenringe noch ein wenig betonen.«
    »Feierst du zu viel? Treibst du dich auf Partys herum?«
    Merle grinste schwach. Sie kannten einander lange genug, dass er sich solche Frotzeleien erlauben durfte. »Ach Quatsch. Partys haben mir nichts mehr zu bieten.« Sie entschied sich für ein bisschen Wahrheit. »Ich schlafe in letzter Zeit schlecht.«
    »Hast du nicht bald Urlaub?«
    »Ja. Nach dem Gerichtstermin mit dem Frohn bin ich erst mal zwei Wochen weg. Aber das ist es nicht. Irgendwie habe ich die letzten paar Tage einen Haufen wirrer Träume.«
    »Reitest du nackt auf einem Schimmel am Meer entlang oder so etwas?«
    »Wie bitte?«
    Volker grinste anzüglich. »Nackt auf einem weißen Pferd. Wer so was träumt, hat uneingestandene sexuelle Bedürfnisse, habe ich gelesen.«
    »Du spinnst.« Merle lachte. »Nein, es sind eher Alpträume. Wabernder Nebel, in dem etwas lauert. Jemand verfolgt mich, aber sobald ich mich umsehe, ist da nichts. Alles ohne Struktur und Sinn. Hast du dafür auch eine Deutung?«
    »Orientierungslosigkeit? Wunsch nach Ordnung und einer starken und dennoch liebevollen Hand, die dich durch dein Leben führt?«
    »Schon gut, es reicht.« Hoffentlich merkte Volker, dass es genug war. Das war nicht immer der Fall. Normalerweise machte es ihr nichts aus, wenn er ihr ihre verkorkste Beziehung mit Michael unter die Nase rieb. Aber im Moment stand ihr nicht der Sinn nach solchen Bemerkungen.
    Sie hatten beide gerade ihre Sachen zusammengepackt, als das Telefon im Konferenzraum klingelte. Merle nahm das Gespräch entgegen.
    »Irene, was gibt es?«
    »Ich habe den Frohn rausgehen sehen, daher dachte ich, ihr seid fertig.«
    »Sind wir.«
    »Hier ist ein Herr Björn Dreher in der Leitung. Er behauptet, ihr kennt euch von früher.«
    Merle runzelte verblüfft die Stirn. Himmel, wie lange war das her? »Björn Dreher? Aus Steinberg?«
    »Keine Ahnung. Schwarzwald, hat er gesagt. Könnte passen. Er spricht zwar Hochdeutsch, aber da schwingt ein bisschen Schwäbisch mit. Oder was die da sprechen.«
    »Dann wird es der sein, den ich kenne. Kannst du durchstellen, danke.«
    Merle grinste, als sie sah, dass ihrem Kollegen die Neugier ins Gesicht geschrieben stand. Sie hielt den Hörer zu. »Eine alte Sandkastenliebe. Mein erster Kuss. Ich war acht Jahre alt, und es war ein wilder Sommer«, erklärte sie ihm sehr ernst. Volker schmunzelte und zeigte mit einem Daumen in die Höhe. Dann klickte es in der Leitung. Merle deutete auf den Hörer und winkte ihm zu, sie allein zu lassen.
    Volker nickte ihr wortlos zu und verließ den Raum, während Merle ihre Tasche wieder auf dem Konferenztisch ablegte und mit dem Hörer am Ohr an die breite Fensterfront trat.
    Ein angenehmer Bass tönte ihr entgegen. »Hallo, spreche ich mit Merle Hänssler? Der Tochter von Theodor?«
    »Völlig richtig. Und ich erinnere mich gut an dich, Björn.« Merle lachte freundlich. Unter ihr glitzerte die Elbe im späten Nachmittagslicht. Bald würde die Sonne über den Kränen von Steinwerder untergehen. Zum vierzigsten Geburtstag hatte Volker ihr ein Foto auf eine riesige Leinwand gezogen, das er von solch einem Sonnenuntergang gemacht hatte. Genau hier hatte er gestanden, in diesem Konferenzraum, und ewig auf den richtigen Moment gewartet, als die Sonne die Wolkenschleier in ein Farbenmeer von Gelb und Rot und Grau vor einem blassblauen Himmel getaucht hatte.
    »Prima, hast du ganz kurz Zeit?«
    »Klar.« Warum dachte sie ausgerechnet jetzt an den Anblick der untergehenden Sonne?
    »Also, ich habe leider schlechte Neuigkeiten.«
    »Was ist los?«, fragte Merle ihn etwas ungehalten. Dieses Herumgedruckse ging ihr auf die Nerven. Sie riss den Blick von einer vorbeiziehenden Barkasse los, griff nach ihrer Tasche und umrundete den Konferenztisch, um zur Tür zu gelangen. Jetzt hatte sie die Landungsbrücken und die Hochbahn vor sich. Das Sonnenlicht brach sich auf der Fassade eines fernen Hochhauses und ließ sie golden aufstrahlen. Über dem Verlagshaus Gruner

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