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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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Katze materialisiert, und nach Luzis entspannter Reaktion auf den Neuankömmling zu urteilen, gehörte sie ebenfalls zum Haushalt. Damit musste es eine Katze sein, denn Mago hatte immer nur Weibchen behalten, um weiteren Nachwuchs zu vermeiden. Da es im näheren Umfeld keine Kater gab, war das meistens kein Problem, und falls sich doch einer zum Haus verirrte, behielt Mago meistens die weiblichen Tiere eines Wurfes. Die Männchen verschenkte sie an einen Bauern oder den Förster. Wo Heu und Holz lagerte, waren Mäuse nicht weit. Die Katzen kamen hier immer noch ihrer ursprünglichen Bestimmung als Jäger nach und hielten den Bestand der Nager in Grenzen.
    Dieses Tier war noch jung, vielleicht nicht einmal ausgewachsen. Es hatte weißes, sehr langes Fell mit graugetigerten Flecken.
    Vorsichtig setzte Merle Luzi neben sich ab und beugte sich vor. Die Neue reckte die Nase und schnüffelte argwöhnisch an ihren Fingerspitzen. Die langen Schnurrbarthaare zitterten.
    Mit einer beinahe trotzigen Handbewegung wischte Merle sich die Tränen von den Wangen und erhob sich. Es war den Lebenden gegenüber nicht fair, wenn sie sich hier ihrem Weltschmerz hingab, selbst wenn es nur Katzen waren, die sie vernachlässigte.
    »Gehen wir in die Küche und schauen nach, was ihr so mögt. Den Schinken werdet ihr schon nicht verschmähen.«
    Wie auf Kommando folgten ihr die beiden. Merle durchwühlte den Vorratsschrank und fand tatsächlich noch eine angebrochene Packung Trockenfutter. Selbst Omis Katzen mussten sich nicht mehr wie früher vollständig allein um ihr Fressen kümmern. So änderten sich die Zeiten.
    Befriedigt beobachtete sie die beiden Katzen, die einträchtig aus einem Suppenteller fraßen. Ein Napf war nicht zu finden gewesen.
    Nach ihrer Mahlzeit ließ sich das junge Fellknäuel streicheln und sogar auf den Arm nehmen. Luzi hingegen beachtete Merle nicht länger, hüpfte auf den Schaukelstuhl und begann, sich ausgiebig zu putzen.
    Merle schlenderte zu der Couch gegenüber der Esse ganz am anderen Ende des Raumes. Eine Decke lag bereit, als würde Omi im nächsten Augenblick den Raum betreten und sie benutzen. Mit einer Hand griff Merle danach, legte sich auf die Couch und setzte das Kätzchen auf ihrer Brust ab. Im Blick der Kleinen lag etwas Weises, Wissendes. Merle kraulte sie unter dem Kinn und wurde mit einem Schnurren belohnt.
    »Wo du wohl herkommst? Du siehst mir nicht nach einem Kater auf der Durchreise aus. Wie heißt du überhaupt?« Sie lachte. Jetzt redete sie schon mit einer Katze! War das die nächste Stufe in den Wahnsinn? Entschlossen lächelte sie der Katze und sich selbst Mut zu.
    Es ging ihr wieder besser. Luzi war ein Schatten aus vergangenen Tagen, ein Symbol von Vergänglichkeit. Doch die Kleine hier war jung und noch im Begriff, die Welt zu entdecken. »Es ist gut, dass du hier bist«, flüsterte sie dem schnurrenden Fellknäuel zu. »Und wie soll ich dich nennen? Was meinst du?« Einen Moment war Merle versucht, das Kätzchen zu Ehren ihrer Großmutter »Mago« zu nennen, aber das klang nach einem fürchterlichen Namen für eine Katze. Was gab es noch für Märchenmädchen? Schneeweißchen und Rosenrot? Rapunzel? Dann fiel Merle das uralte Märchen ein, über das Jakob gesprochen hatte. Das Märchen mit dem Liebespaar, dessen Recherche er nicht weiterverfolgt hatte.
    Merle lächelte das Kätzchen an. »Du wirst Jorinde heißen.«
    Das kleine Tier gähnte zustimmend. Dann reckte es sich und hüpfte auf die breite Sofalehne. Merle im Blick, kugelte es sich zusammen, bis es nur noch einem flauschigen Ball glich.
    Merle lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Zehn
    Schlag in die Bresche
    A lles in allem eineinhalb Stunden Verspätung von Vancouver bis Stuttgart. Theodor hätte zufrieden sein können. Doch er war von der langen Reise erschöpft, und nur die Tatsache, dass es in Kanada erst später Mittag wäre, hielt ihn im Moment wach.
    Er zog den kleinen Reisekoffer hinter sich her und irrte eine kleine Weile über den Parkplatz, bis er die Wagen am äußersten Rand entdeckte. Ein Touran reagierte auf den Funkschlüssel, den er am Stand der Mietwagenfirma erhalten hatte. Theodor lud den Koffer ein und lächelte dankbar, als er an die Inhaberin des kleinen Hotels dachte, in dem er am Abend vor seinem Abflug eingecheckt hatte. Die Frau hatte ihm angeboten, ihm sein restliches Gepäck nachzusenden. Er hatte das Angebot nicht nur wegen der Schlepperei angenommen, sondern weil er insgeheim hoffte, in

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