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So finster, so kalt

So finster, so kalt

Titel: So finster, so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Menschig
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Kleine ihn entweder nicht bemerkt, oder sie ignorierte ihn. Mit einem seligen Lächeln ließ sie Sand von der linken Hand in die rechte rieseln und dann umgekehrt – wieder und wieder. Dabei schritt sie mit zierlichen Schritten am Rande der Böschung entlang.
    Theodor schossen tausend Fragen durch den Kopf: wie sie in diesem Aufzug an diesen Ort gekommen sein mochte und warum sie sich so merkwürdig benahm. Aber letzten Endes war das völlig unerheblich. Es war bestimmt Amelie. Er musste sie davon überzeugen mitzukommen, der Rest war Sache der Polizei. Wer weiß, was ihr hier an dieser einsamen Landstraße sonst noch alles zustoßen konnte.
    Er stellte den Motor ab, und das Lied im Radio erstarb. Das Mädchen reagierte immer noch nicht. Leise, um es nicht zu erschrecken, öffnete Theodor die Tür und stieg aus.
    »Hallo, Kleines. Bist du Amelie? Hallo!«
    Keine Reaktion. Stattdessen vernahm er ein Summen. Die Kleine sang vor sich hin, während der Sand rieselte, präzise von einer Hand in die andere, als wäre er im Glas einer Sanduhr gefangen. Kein Körnchen fiel daneben.
    Er näherte sich behutsam, darauf bedacht, dass sie möglichst schnell sein Gesicht erkennen konnte. Er war bis auf zwei Schritte herangetreten, als sie ruckartig den Kopf hob.
    Theodor hielt inne. Ihre Augen glühten rot.
    Dann glitt sie in einer einzigen fließenden Bewegung auf ihn zu. Er wich zurück. Das Mädchen ging ihm gerade mal bis knapp unter die Brust, trotzdem wurde ihm unbehaglich. Das war niemals Amelie.
    Er stolperte und fing sich im letzten Moment wieder. Wieder kam das Mädchen mit übermenschlicher Geschwindigkeit auf ihn zu, und er rettete sich mit einem kleinen Sprung zur Seite. Ein Stein kullerte die Böschung hinunter. Plötzlich sah Theodor den Abgrund neben sich. Ihm wurde heiß. Sein Herz klopfte schneller. Er wollte zurücktreten, doch das Mädchen war plötzlich hinter ihm. Dann gab der sandige Untergrund unter ihm nach. Er keuchte und ruderte hilflos mit den Armen. Da kam er völlig aus dem Gleichgewicht. Der nächste Schritt trat ins Leere, und noch bevor er vollständig realisieren konnte, was geschah, stürzte er in die Tiefe.
    Für einen Lidschlag kam aus einem grotesk verdrehten Winkel erneut das Mädchen in sein Blickfeld. Es hatte sich über die Böschung gelehnt und beobachtete interessiert seinen Fall.
    Dann war sie fort.
    Theodor stieß an einen Stein an. Instinktiv versuchte er, sich festzuhalten, doch er fiel weiter. Kurz bevor er aufschlug, kam ihm ein absurder Gedanke: Das Lied! Es war von Mike Oldfield gewesen. Die Sequenz aus Tubular Bells in
Der Exorzist.

Elf
    Familienbande
    G oldene Augen beobachteten sie. Sie blickten friedlich, neugierig und gleichzeitig unangenehm wissend. Merle fühlte sich ertappt.
    Mit einem Schlag war sie hellwach.
    Sie riss die Augen auf und sah gerade noch den Schwanz von Jorinde, die von der Couch hüpfte. Mit wenigen Sätzen war das Tier an der Tür der kleinen Stube und verschwand.
    Verwundert stellte Merle fest, dass sie bis jetzt tief und traumlos geschlafen hatte, obwohl sie keine Schlaftablette genommen hatte.
    Sie reckte sich und fühlte sich so erholt wie schon lange nicht mehr. Vielleicht hatten die Katzen über ihren Schlaf gewacht.
    Luzi lag immer noch auf dem Kissen des Schaukelstuhls und beobachtete sie gelangweilt. Immerhin verstand Merle jetzt, warum der Schaukelstuhl, den kein Mensch benutzte, nach wie vor in der Stube stand: Er war ein Katzenthron.
    Die Flamme der Öllampe wirkte kleiner, als ob sie jemand heruntergedreht hatte. Vermutlich musste sie bald nachgefüllt werden. Merle entschied sich, eine der beiden Taschenlampen aus ihrer Reisetasche zu holen. Sie war kein großer Fan von diesen altmodischen Lampen und hatte zudem keinen Schimmer, wo sie das Lampenöl finden konnte.
    Auf dem Weg zur Tür fiel ihr Blick zu einem der Fenster. Der Mond war inzwischen aufgegangen, und die Lichtung breitete sich still und unberührt vor dem Haus aus. Von hier aus konnte Merle nur die Schemen der Apfelbäume erahnen, hinter denen der Verbotene Garten lag. Alles sah aus wie immer.
    Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr stellte Merle fest, dass es kurz vor Mitternacht war. Ihr Vater kam nicht mehr. Sicher hatte der Flug Verspätung gehabt. Sie überlegte, ob sie mit dem Handy in Richtung Hauptweg gehen sollte, bis sie ein Netz bekam. Aber ihr Vater wusste, dass man hier keine Verbindung hatte, also würde er nicht anrufen. Auf den einen Tag kam es auch nicht mehr

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