So finster, so kalt
den Arm seines Sohnes. Der zog mit der gesamten Kraft eines störrischen Zehnjährigen. Er hatte keine Chance gegen seinen kräftigen Vater, der seit Jahrzehnten seinen Unterhalt damit verdiente, Holz zu schlagen und aus dem Wald zu schleppen.
Komm zu deiner Mutter.
Johann und Hans erstarrten beide. Sprachlos sah Johann seinen Vater an, und in dem Moment erkannte Hans, dass er begriff, wer Greta war. Warum er sie sehen und hören konnte. Warum die Leute im Dorf manchmal komische Dinge sagten.
Greta lächelte liebreizend. Johann erwiderte das Lächeln schüchtern. Hans erstarrte am ganzen Körper und glaubte, dass nur noch zähflüssiges Blei in seinen Adern floss.
»Ich muss zu ihr!« Johann zog.
»Du bleibst hier!« Hans bewegte sich träge, hatte Mühe, seinen festen Griff zu halten. Der Schürhaken wog plötzlich mehr als ein ganzer Baumstamm.
Mit einem Ruck befreite sich Johann. Hans stürzte nach vorne, hob den Schürhaken und schlug zu. Eine Welt aus Flammen und Sternen umtoste ihn, als er seinen Sohn aufschreien hörte. Der Schürhaken fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden.
Johann verstummte, dafür kreischte Agnes in hohen Tönen auf und stürmte an ihm vorbei auf den Jungen zu, der regungslos im Gras lag.
»Was ist in dich gefahren, bist du völlig von Sinnen?«
Greta war fort. Hans glotzte wie blöd auf die Bäume und wischte sich den Schweiß von den Brauen. Er glaubte, noch nebelhafte Umrisse zu sehen, wo ein unschuldiges kleines Mädchen gestanden und versucht hatte, seinen Sohn zu locken.
Dann endlich wagte er einen Blick nach unten zu seinen Füßen. Agnes hielt den leblosen Jungen in den Armen. Der Hieb hatte Johann am Hinterkopf getroffen. Überall war Blut. Wie in der Nacht seiner Geburt.
Agnes schluchzte, während sie Johann wiegte und an ihre Brust drückte. »Unternimm etwas! Er stirbt!«
Hans nickte mechanisch, kniete sich nieder und nahm ihr den Jungen vorsichtig aus den Armen, um ihn ins Haus zu tragen. Er vermied den Blick auf die verklebten feuchten Haare. Es war sicher nur eine Platzwunde. So fest hatte er gar nicht zugeschlagen. Wunden am Kopf bluteten immer, als ob man ein Schwein abgestochen hätte, aber sie waren meist gar nicht so schlimm.
So schnell er konnte, trug er den Jungen ins Haus und bettete ihn vorsichtig in der Stube vor der Esse auf den Boden. Johann atmete flach und leise, aber regelmäßig.
»Agnes, geh und hol Wasser und saubere Tücher, damit wir sie auf die Wunde pressen können«, rief er über die Schulter. Er drehte seinen Sohn auf den Bauch, holte Luft und schob vorsichtig seine Haare auseinander. Nur ein Riss. Ein langer Riss, aber nicht tief.
Als Agnes mit den Tüchern und einer Mullbinde kam, drückte Hans den Riss zusammen und legte dann einen strammen Verband um Johanns Stirn und Hinterkopf. Die ganze Zeit verwehrte er sich jegliche Gedanken, was genau geschehen war oder warum. Er wies Agnes an, vor der Esse ein Lager zu errichten, und schürte die Glut, damit es wärmer wurde. Dann setzte Hans sich neben seinen reglosen Sohn und wartete darauf, dass dieser die Augen wieder aufschlug. Seine Finger spielten mit dem Metallkreuz unter seinem Hemd, während seine Augen unruhig vom Feuerschein in der Esse über die alten rußgeschwärzten Balken zu den kleinen Fenstern wanderten. Er konnte seinen Verstand immer noch nicht auf die Lösung seines dringlichsten Problems zwingen: Was, wenn sie wiederkam? Was, wenn sie dem Jungen auflauerte und er nicht in der Nähe war? Sie konnte nicht ins Haus, wie damals, als die Alte hier lebte. Die Alte, deren Gesicht er manchmal im Schein der Flammen wiederzusehen glaubte und an deren Tod er eine Schuld trug, die er immer noch nicht abgetragen hatte.
Er hätte nicht hinausgehen dürfen, und Johann schon gar nicht. Hier im Haus waren sie sicher.
Was nur, was konnte er tun, um Greta von hier fernzuhalten?
Hans spürte die Müdigkeit des Tages über sich hereinbrechen, doch er zwang sich, wach zu bleiben. Agnes streifte eine Weile unruhig flüsternd um ihn herum, wagte jedoch nicht, sich ihnen zu nähern. Obwohl sie sich mindestens genauso große Sorgen um Johann machte, war es für Hans offensichtlich, dass ihre Furcht vor ihm größer war. Er hatte sie nie geschlagen, weder sie noch seinen Sohn. Er war kein Mensch, der die Hand gegen Schwächere erhob, nicht einmal im Zorn oder aus gutem Grund. Wenn er wütend auf Agnes war, floh er in den Wald und ließ seinen Gefühlen bei seiner Arbeit freien Lauf. Und
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