So frei wie der Himmel
Sonnensystem, um das eine ganze Galaxie kreiste.
Als sich ihre Nervosität etwas gelegt hatte, blieb sie stehen und sah ihn an. "Warum bist du vorhin überhaupt vorbeigekommen?"
"Ich hab ein Händchen dafür, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Ist Teil meines Charmes."
"Es muss doch einen Grund gegeben haben."
"Ich finde, dass Mitchs Rampe ein Geländer braucht. Darum wollte ich noch ein paar Bretter vorbeibringen."
"Warum?"
"Das habe ich doch gerade gesagt.
"Ich meine, warum bist du so wild entschlossen, uns zu helfen?"
"So sind wir nun mal auf dem Land. Hast du das vergessen, seit du in der Großstadt wohnst?"
"Mach hier nicht auf harmloser junge vom Land, okay?", rief Cheyenne, entspannte sich aber ein wenig. Was sie merkwürdig fand, da sie doch niemand auf der Welt nervöser machte als Jesse McKettrick. "Du hast ein aufregendes Leben geführt und bist durch die ganze Welt gereist."
"Das stimmt. Aber Indian Rock ist mein Zuhause. Das war immer so."
Wieder begann Cheyenne, auf und ab zu laufen.
Nach einer Ewigkeit kam Dr. Krischan zurück. "Nichts gebrochen", sagte er. "Mitch kann nach Hause gehen."
Jesse stand auf. "Sehen wir uns heute Abend auf der Party, Doc?"
"Ich werde kommen."
"Gut zu wissen. Zumal Mitch ganz versessen darauf ist, Rodeo zu reiten."
Sofort versteifte Cheyenne sich wieder.
"War nur ein Scherz, Cheyenne."
Eine Krankenschwester brachte Mitch in einem Krankenhausrollstuhl aus dem Untersuchungsraum bis zum Auto. Dort übernahm Jesse. Sosehr er sie auch verstörte, die selbstverständliche Art wie er Mitch auf den Sitz hob, rührte ihr Herz. Man könnte meinen, dass er sich Tag für Tag um Behinderte kümmerte.
Seit seinem Unfall kannte Mitch Scham. Doch mit Jesse fühlte er sich wohl. Jesse behandelte ihn mit stillem Respekt und mit Selbstverständlichkeit.
Wieder zu Hause, richtete Jesse den Traktor auf, setzte sich darauf und mähte den Rasen zu Ende. In der Mittagspause kam Ayanna nach Hause. Und während Mitch ihr erzählte, was geschehen war, saß Cheyenne auf der Verandatreppe und sah Jesse beim Arbeiten zu.
"Wie machst du das?", fragte sie, als er den Traktor schließlich abstellte und sich neben sie setzte.
"Was? Traktor fahren?"
"Du weißt, was ich meine. Du gibst Mitch das Gefühl ... nun, normal zu sein. Wie machst du das?"
"Das ist leicht, Cheyenne", entgegnete Jesse sanft. "Er ist normal."
"Er ..." Sie hatte darauf hinweisen wollen, dass Mitch an seinen Rollstuhl gefesselt war, hatte eine Liste all der Dinge aufzählen wollen, die er nicht tun konnte. Aber Jesse hatte recht. Ihr Bruder war kein Krankenfall. Kein Teil irgendeiner Statistik, sondern einfach nur ein Mensch, und das hatte sie in den Jahren der Sorgen offenbar vergessen.
"Dann lade ich mal besser die Bretter ab." Jesse erhob sich. "Das Geländer werde ich allerdings ein anderes Mal bauen müssen. Ich habe Travis versprochen, ihm bei den Vorbereitungen für die Party zu helfen. Wahrscheinlich wartet er schon auf mich. Wir sehen uns um sechs."
"Bis dann." In Cheyennes Hals kratzte es verdächtig, sie musste sich räuspern.
Nachdem Jesse die Latten abgeladen hatte und losgefahren war, ging Cheyenne ins Haus. Ayanna saß allein in der Küche. Sie sah ungewöhnlich müde und mürrisch aus.
"Mitch durchwühlt seine Koffer", sagte sie. "Er weiß nicht, was er heute Abend anziehen soll.«
Lächelnd legte Cheyenne einen Arm um ihre Schulter. "Bist du in Ordnung? Ich weiß, das muss ein Schock für dich gewesen sein, aber Mitch geht es wirklich gut."
Stumm kaute Ayanna auf der Unterlippe. "Ganz bestimmt", murmelte sie dann. Darum geht es auch nicht. Es ist nur ... ich weiß nicht, ob ich diese Arbeit aushalten kann, Cheyenne."
"Dann kündige halt. Es gibt bestimmt etwas anderes für dich."
In Ayannas Wimpern hingen Tränen. Sie nickte tapfer, worauf Cheyenne sich noch schlechter fühlte. "Mama hat mich angefleht, die Sekretärinnenschule zu besuchen. Ich wünschte, ich hätte auf sie gehört. Aber, nein, nein, ich war jung, ich war in Cash Bridges verliebt, ausgerechnet in ihn. Und ich glaubte, alles besser zu wissen ..."
Da nahm Cheyenne ihre Mutter in die Arme. "Du könntest in Flagstaff deinen Schulabschluss nachholen. Es ist nie zu spät."
"Natürlich ist es zu spät", entgegnete Ayanna halb lachend, halb schluchzend. "Oder?"
"Nur wenn du entscheidest, dass es so ist." In ihren Worten hörte sie das Echo von Jesses Stimme.
"Du hast recht." Ayannas Gesicht hellte sich etwas auf.
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