So frei wie der Himmel
bist fast nackt."
"Mist", sagte Jesse. Nach der Dusche hatte er nur Boxershorts übergezogen und war aufs Bett gefallen, mit dem Gesicht nach unten. Und plötzlich standen sich zwei Frauen auf seiner Türschwelle gegenüber und kreischten.
Er stand auf, ging in sein Zimmer und schlüpfte in Jeans und T-Shirt. Als er zurückkam, saß Brandi in dem großen Ledersessel seines Vaters und hatte eine Decke über sich gezogen. Ihr blondes Haar war zerzaust, sie schmollte mit Augen und Lippen.
"Was hattest du in meinem Zimmer zu suchen?" fragte Jesse.
"Das ist ein ziemlich großes Haus", sagte Brandi. "Ich hatte Angst. Ich bin den ganzen Weg von Kalifornien hierher gefahren, und du warst nicht zu Hause. Also habe ich mich auf das kleine Sofa in deinem Schlafzimmer gelegt und bin wohl eingeschlafen."
Besagte Couch stand mit dem Rücken zu seinem Bett, dem Kamin zugewandt. Jesse benutzte sie äußerst selten, höchstens als Ablageplatz für Wäsche.
"Ich bin nach Hause gekommen", erklärte er behutsam, "und habe geduscht. Erzähl mir nicht, dass du einfach weitergeschlafen hast."
Wieder zitterte Brandis Lippe. "Habe ich auch nicht. Aber ich dachte, ich würde dich zu Tode erschrecken, wenn ich mich einfach aufsetze und Hallo' rufe. Oder du würdest mich erschießen oder so was. Deshalb dachte ich, ich warte, bis du aufwachst. Und dann bin ich auch wieder eingeschlafen. Irgendwann hatte ich Hunger. Ich habe mir was aus dem Kühlschrank genommen und Musik angemacht, weil ich dachte, das würde dich vielleicht wecken. Du weißt schon, auf sanfte Art und Weise sozusagen. Dann hörte ich jemanden durchs Haus schleichen. Zuerst dachte ich sogar, es könnte ein Geist sein. Also bin ich wieder in dein Zimmer, um dich zu wecken. Aber du lagst ja praktisch im Koma ..."
Das zumindest stimmte, dachte Jesse reumütig.
"Okay, okay", rief er. "Das reicht. Und könntest du mir jetzt erklären, wie ich in den Genuss deines Besuches komme?"
"Der Typ, von dem ich dir erzählen wollte - am Telefon, damit ich keinen Tag bei der Arbeit und meinem Studium verpasse - heißt Nigel Meerland. Er wollte, dass ich dich unter Druck setze, damit du ihm Land für eine Apartmentanlage verkaufst. Er sagte, für mich wären bis zu viereinhalb Millionen Dollar drin. Viereinhalb Millionen Dollar, Jesse. Also musste ich ihm zumindest zuhören.
"Verstehe", sagte Jesse. Nigel Meerland. Cheyennes Boss. Was für ein verdammter Idiot er gewesen war. Alle Beweise hingen doch direkt vor seiner Nase, und er hatte einfach nicht darauf geachtet.
Warum?
Weil er Cheyenne Bridges haben wollte.
Ihren Körper.
Ihr Herz.
Sogar ihre Seele.
Er hatte ihr glauben wollen.
Und in dieser ganzen Zeit hatte sie sich nur über ihn lustig gemacht. Das war allerdings nicht das Schlimmste. Nein. Das Schlimmste war, dass er ihr alles, wirklich alles abgekauft hatte.
Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich noch immer für Nigel Meerland arbeite. Er wollte, dass ich euch ausspioniere und irgendetwas über dich herausfinde, womit man dich zwingen kann, das Land zu verkaufen ...
In diesem Moment war seine Welt zusammengebrochen. Er schloss die Augen. "Trottel", murmelte er.
"Was machen wir jetzt?«, fragte Brandi.
"Auch du kannst mich nicht zwingen, das Land zu verkaufen, Brandi. Du bist doch schon fast Anwältin, also weißt du das. Alles, was du tun kannst, ist, mich in einen langen Prozess zu verwickeln. Und glaub mir, meine finanziellen Mittel werden länger reichen als seine."
"Ich bin nicht dumm, Jesse. Und auch nicht gemein. Ich wollte dich warnen, schon vergessen? Klingt das nach jemandem, der dir Schwierigkeiten machen will?"
"Nein", gab Jesse zu. "Aber die Aussicht auf viereinhalb Millionen Dollar hat dich offenbar sehr beeindruckt."
"Diese Aussicht würde jeden Menschen beeindrucken, Jesse." Brandi lächelte zum ersten Mal, seit diese Katastrophe aus dem Nichts über ihn hereingebrochen war. "Ausgenommen von dir vielleicht. Aber für alle anderen auf der Welt ist das ein ganz schöner Batzen Geld."
Obwohl er sich innerlich wie tot fühlte, rang Jesse sich ein Lächeln ab. Letztlich ging es doch immer nur um Geld. Bei Brandi. Und auch bei Cheyenne.
Die Vorstellung deprimierte ihn dermaßen, dass er sie fast nicht ertrug.
"Was willst du?", fragte er nach langem Schweigen.
"Eine Abfindung?"
"Brandi, wir waren eine Woche lang verheiratet."
Sie errötete. "Aber immerhin waren wir verheiratet."
Jesse dachte über ihre Worte nach. Dabei starrte er auf seine
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