So frei wie der Himmel
nicht zu ihren Worten passte.
"Wir waren eigentlich verabredet", sagte Cheyenne.
"Daraus wird wohl nichts." Myrna hielt ihr eine rosafarbene Schachtel hin. "Einen Donut?"
Jesses Kopf schien zerspringen zu wollen. Stöhnend setzte er sich auf. Leider war das Roadhouse ein beliebter Frühstückstreffpunkt. Als der Pfarrer an seinem Truck vorbeilief und ihm freundlich zuwinkte, brachte Jesse nur ein gequältes Lächeln zustande.
Hatte es eine Schlägerei gegeben? jedenfalls fühlte er sich so.
Nein, erkannte er, als sein Gehirn sich etwas lichtete. Vermutlich hatte sich der Schalthebel beim Schlafen in seine Seite gebohrt.
Ganz toll, McKettrick.
Er wühlte in seinen Hosentaschen nach dem Schlüssel, bis er sich daran erinnerte, dass Wyatt sie ihm abgenommen hatte. Niemals wäre Jesse betrunken gefahren, aber Wyatt hatte es wohl nicht drauf ankommen lassen wollen. jetzt saß er in seinem Truck fest wie ein verdammter Idiot, während die halbe Stadt an ihm vorbeimarschierte.
Das kam davon, dass er der einzige Mensch in Nordamerika ohne Handy war.
Zu allem Überfluss musste er auch noch dringend pinkeln. Doch er konnte auf keinen Fall durch das ganze Restaurant, vorbei an voll besetzten Tischen, zur Toilette laufen. Nachdenklich sah er hinüber in die Gasse. Aber heute war kein guter Tag, um es darauf ankommen zu lassen.
"Verdammt", schniefte er und schloss die Augen in der Hoffnung, dass wenigstens die Kopfschmerzen ein wenig nachlassen würden.
Als es ans Fenster klopfte, drehte er sich um. Travis stand auf dem Trittbrett, grinste ihn an und hielt seine Schlüssel in die Höhe.
Jesse öffnete die Tür, was Travis zwang, auf den Parkplatz zu springen.
"Wyatt schickt mich", erklärte Travis mit gespieltem Ernst. "Als Vertreter der Staatsgewalt kann ich dir diese Schlüssel erst übergeben, wenn ich mich versichert habe, dass du nüchtern bist."
Jesse war nüchtern, keine Frage. Und das bewies er, indem er ihn wie ein Rohrspatz beschimpfte.
Daraufhin überreichte Travis ihm die Schlüssel. "Rance hat in einem Motel übernachtet, Keegan im Büro. Was ist hier eigentlich los gewesen?"
"Ich habe jetzt keine Zeit, darüber zu sprechen", sagte Jesse. Seine Blase plagte ihn inzwischen fürchterlich. Wenn er nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen werden wollte, weil er sich hinter den Mülltonnen Erleichterung verschafft hatte, blieb ihm keine andere Wahl. Er rannte zur nächstbesten Tankstelle.
Travis wartete bis er zurückkam.
"Vielleicht sollte ich dich nach Hause fahren", sagte sein Freund. "Sierra und ich könnten dann später deinen Truck holen und zu dir bringen."
"Mir geht es gut", sagte Jesse.
"Du klingst aber nicht gut. Und du siehst auch nicht gut aus."
Aber Jesse ignorierte ihn, kletterte in den Truck und fuhr direkt nach Triple M. Als er dort ankam, standen die Pferde noch immer auf der Weide. Jesse schwor sich, keinen Tropfen Alkohol mehr anzurühren, kletterte über den Zaun und pfiff. Das Pfeifen zerteilte seinen Kopf wie eine scharfe Axt. Aber daraufhin galoppierten die Pferde auf ihn zu. Er trat zur Seite und sah ihnen nach, wie sie in den Stall stürmten.
Es sind Pferde, rief er sich in Erinnerung. Eine Nacht auf der Weide mit ausreichend Wasser schadete ihnen nicht. Trotzdem fühlte er sich schuldig. Er gab ihnen Getreide, ein seltenes Vergnügen für sie, dann bürstete er ein Pferd nach dem anderen gründlich, als müsste er Buße tun.
Als er anschließend ins Haus ging, wollte er nur noch unter die Dusche, ein paar Aspirin schlucken und ungefähr zwanzig Stunden schlafen. Vermutlich bemerkte er deshalb erst zu spät, dass er nicht allein war.
Keegan tat etwas noch nie Dagewesenes, so zumindest bezeichnete Myrna es. Er nahm sich einen Tag frei. Rance war erst gar nicht ins Büro gekommen. Cheyenne telefonierte mit verschiedenen Junior Colleges in der Gegend. In der Mittagspause kaufte sie ein Sandwich, fuhr zum Supermarkt und hielt Ayanna als Friedensangebot die Hälfte hin.
"Es tut mir leid", sagte sie.
Ihre Mutter sah klein und verlassen aus, wie sie in dem blauen Kittel im Mitarbeiterraum an dem Tisch saß.
"Mir auch", antwortete sie. "ich hätte dich nicht ohrfeigen dürfen." Sie brach ab, schlug eine Hand vor den Mund, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Ach, Cheyenne, ich habe dich tatsächlich geschlagen."
"Ist schon gut, Mom."
"Es ist nicht gut."
"Stimmt. Es ist nicht gut. Aber es ist vorbei." Sie nahm die Hand ihrer Mutter und
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