So fühlt sich Leben an (German Edition)
gegenseitiger Beglückung waren die einzigen Momente, in denen es wenigstens den Kerlen nicht um die Kohle ging. Und wir mittenmang, von der Goldgräberstimmung angesteckt und nie um glorreiche eigene Ideen verlegen, sodass unsere Unternehmungen bald olsenmäßige Züge annahmen und ein mächtig gewaltiger Plan den nächsten jagte.
Zu den Auffälligkeiten des Wohngebietsparks gehörten die Hunde. Fast jeder Darsteller in diesem Panoptikum besaß einen Vierbeiner. Natürlich konntest du mit einem Rauhaardackel oder Pudel kein Schaulaufen gewinnen, als cooler Marzahner Typ warst du gut beraten, mit einem Pitbull- oder einem Staffordshire-Terrier aufzutreten, schließlich wurde Profilieren hier ganz groß geschrieben, weshalb manch einer seinem Tier Anabolika spritzte. Dementsprechend sahen die Viecher aus: kein Gramm Fett, und jede einzelne Ader zeichnete sich deutlich sichtbar ab. Das waren eher Maschinen als Hunde– einige konnten aus dem Sitzen Zäune von ein Meter siebzig Höhe überspringen–, und ich fand das fulminant. Mich hat das schwer beeindruckt. Weil aber mitunter ein Hund dabei draufging, habe ich meinem Arthur diese Art von Doping erspart.
Denn selbstverständlich besaß ich einen eigenen Hund, einen Stafford. Den hatte ich mir zugelegt, kaum, dass ich zu Hause ausgezogen war. Und Arthur war überall dabei. Ein tolles Tier, hatte allerdings einen Knall: Sobald er Sand unter den Pfoten spürte, rastete er aus, rannte im Kreis und hörte nicht mehr damit auf. Sobald ich ihn vom Sand runterzog, kam er wieder zu sich. Gelegentlich ergaben sich seinetwegen kleinere Auseinandersetzungen mit der Polizei. Einmal wurde ich von einer Streife angehalten, die ihn zu erschießen drohte, obwohl er brav und angeleint neben mir stand. Einer der beiden holte schon seine Waffe raus.
» Bringen Sie Ihren Hund zur Ruhe!«
» Der macht doch gar nichts«, sagte ich. » Der bellt nicht mal.«
Hat er tatsächlich einen Warnschuss abgegeben. Mein Arthur hat den Schreck überlebt und durfte bei mir bleiben.
Ich hatte immer Hunde. Mein schönster und bester war ein blauweißer Stafford namens Ballou. Der lief ohne Leine an meiner Seite, nicht weil ich es so wollte, sondern weil er es so wollte. Den hat auf der Straße nichts interessiert. Ich würde sogar sagen, er übertrieb es etwas mit seiner Gelassenheit, jedenfalls sah er über andere Hunde und andere Menschen einfach hinweg. Wenn irgendwo ein Köter kläffte, blickte er zwei Sekunden lang rüber und trottete ungerührt weiter. Ballou war sich seiner Überlegenheit vollauf bewusst. Großartig.
Der Vollzähligkeit halber sollte ich bei meiner Wohngebietspark-Reportage noch die Drogen erwähnen. Ich selbst hielt mich davon fern, mich stießen diese Chemikalien ab, aber es gab genug Jungs und Mädels, die alles ausprobieren mussten, und die Ticker von Marzahn verdienten ein Heidengeld. Was zu dieser Zeit an Pillen abgesetzt wurde, war der Wahnsinn. Es bestand eben ein Riesenbedarf an allem, was mit dem Siegel der Verheißung aus dem Westen zu uns rüberkam. Ich hielt mich vorläufig lieber an Felgen, Autoradios und Spoiler– und an Gonzales, einen kleinen Ganoven aus Weißensee, der mich mit großem Enthusiasmus in die Autoknackerszene einführte. Doch dazu später mehr.
Kaum zu erwähnen brauche ich, dass Eileen den Wohngebietspark mied, so wie sie auch meine Clique mied. Sie wurde mit diesen schmuddeligen Sprühern nicht warm, sie war und blieb eine Einzelgängerin, atmete allerdings auf, als wir eines Tages dazu übergingen, uns hübscher anzuziehen.
Irgendwann kamen wir nämlich auf den Trichter, dass wir allein durch unser verlottertes Aussehen Verdacht erregten. Ein Bulle brauchte bloß einen von uns zu sehen und wusste sofort: Aha, ein Sprüher. Also begannen wir enge Diesel-Jeans und Adidas Torsions, Polohemden und Lederjacken zu tragen, den Kragen natürlich hochgeschlagen, und unsere Haare wurden immer kürzer. Eileen war erleichtert. Nur dass wir jetzt von oben bis unten wie der klassische Marzahn-Hooligan aussahen.
Und genützt hat es nichts. Mir jedenfalls nicht. Denn eines Tages wurde ich nach einer Hip-Hop-Jam am S-Bahnhof Wartenberg auf Verdacht festgenommen. Meine Fans von der SOKO unterstellten mir, geradewegs vom Sprühen zu kommen. Diesmal stimmte es ausnahmsweise nicht, aber sie behaupteten steif und fest, das Graffito da und da stamme von mir. Die Nacht habe ich auf dem Revier in der Zelle verbracht, und am Morgen wurde eine Hausdurchsuchung
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