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So funktioniert die Wirtschaft

So funktioniert die Wirtschaft

Titel: So funktioniert die Wirtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Haering
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Produktionsprozesse, desto mehr sind die Arbeitgeber auf gut ausgebildete und zufriedene Arbeitnehmer angewiesen, die lange genug im Betrieb bleiben. Dafür sind gute Bezahlung, Arbeitsbedingungen und soziale Leistungen hilfreich.
    Zusammenfassend kann man die Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft vom Raubtierkapitalismus der frühen Industrialisierung zu seiner gezähmten Erscheinungsform, deren deutsche Variante wir als „soziale Marktwirtschaft“ bezeichnen, wie in der folgenden Abbildung darstellen.
    Vom Raubtierkapitalismus zur sozialen Marktwirtschaft
    Warum ist Massenarbeitslosigkeit traurige Normalität?
    Eine wichtige Frage haben wir bisher noch unbeantwortet gelassen: Wie kam es, dass trotz fortbestehender hoher Arbeitslosigkeit die Löhne so stark stiegen? Man sollte ja eigentlich annehmen, dass die Arbeitslosen mit den Beschäftigten konkurrieren, indem sie ihre Arbeit billiger anbieten. Dann, so könnte man meinen, würden die Löhne nicht steigen oder gar sinken, bis alle Arbeitsuchenden in Lohn und Brot sind.
    Es gibt eine Reihe von Erklärungsmustern dafür, warum dies nicht stattfindet (oder nicht in ausreichendem Maße, um Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen). Die drei populärsten:
Die Arbeitslosen wollen nicht wirklich arbeiten.
Die Arbeitslosen sind nicht qualifiziert genug.
Die Löhne werden künstlich zu hoch gehalten.
    Doch die ersten beiden Erklärungsansätze erklären erkennbar allenfalls einen kleinen Teil der tatsächlich vorhandenen Arbeitslosigkeit. Auch die dritte Erklärung ist nur vordergründig überzeugend.
    Nach einer kurzen Überprüfung dieser Argumente greifen wir einen Gedanken aus dem vorangegangenen Kapitel auf: Auch einzelne Unternehmen planen nicht mit Vollauslastung der Kapazitäten. Im Normalbetrieb produzieren sie nur rund 80 % dessen, was sie bei voller Auslastung herstellen könnten. Vielleicht funktioniert die Volkswirtschaft insgesamt ja ebenso, und Arbeitslosigkeit bedeutet lediglich, dass Kapazitäten bereitgehalten werden, die man nur in Zeiten hoher Auslastung einsetzt. Diesen Erklärungsansatz werden wir ebenfalls prüfen.
    Faule Arbeitslose
    Zunächst also zu der These, Arbeitslosigkeit sei freiwillig, da die Arbeitslosen gar nicht arbeiten wollten – jedenfalls nicht zu den angebotenen Löhnen. Dass manche Arbeitslose nicht ernsthaft Arbeit suchen, ist unbestreitbar. Jeder kennt Fälle, wo der Betroffene lieber schwarz arbeitet oder bescheidengenug ist, um dauerhaft mit Stütze auszukommen. Die Regel ist das aber bei Weitem nicht. So zeigen praktisch alle Umfragen, wie z. B. der zu Beginn erwähnte Glücksatlas, dass Arbeitslose mit ihrem Leben viel weniger zufrieden sind als Menschen in Arbeit. Arbeitslosigkeit gehört für die meisten Menschen zu den schweren Schicksalsschlägen des Lebens. Die These von der freiwilligen Arbeitslosigkeit widerspricht der Lebenserfahrung ebenso wie den Ergebnissen von Befragungen.
    Arbeitslosengeld verlängert Arbeitslosigkeit – mit gutem Grund
    Um die These von den „arbeitsscheuen Arbeitslosen“ zu untermauern, wird manchmal angeführt, dass Arbeitslose schneller einen neuen Job annehmen, wenn die Stütze ausläuft oder gekürzt wird. Bei genauerem Hinsehen ist das jedoch gar kein Beleg für die These. Denn genau so sollte es sein, wenn die Arbeitslosenversicherung ihre Funktion richtig erfüllt: Sie soll nämlich dafür sorgen, dass jemand, der arbeitslos wird, genügend Zeit hat, eine Stelle zu finden, die zu seinen Fähigkeiten und Neigungen passt. Weder dem Betroffenen noch der Gesellschaft ist gedient, wenn Hochschulabsolventen nach zwei Wochen Arbeitslosigkeit aus Geldnot bei McDonald’s anheuern. So hat denn auch Raj Chetty (2008) festgestellt, dass Arbeitslose, die über finanzielle Rücklagen verfügen, bei der Jobsuche wählerischer sind als Arbeitslose ohne finanzielle Reserven. Sie reagieren also genauso wie Arbeitslose, die Arbeitslosenunterstützung beziehen. Diese Arbeitslosen brauchen aber ihr eigenes Geld auf, nicht das des Staates.
    Etwas Sucharbeitslosigkeit ist normal
    In einer ergänzenden Variante der These von der freiwilligen Arbeitslosigkeit wird denn auch behauptet, diese sei teilweise darauf zurückzuführen, dass die Arbeitslosen „freiwillig“ so lange arbeitslos sind, bis sie eine Stelle gefunden haben, die zu ihren Vorlieben und

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