So funktioniert die Wirtschaft
Bruttoinlandsprodukt und der Wohlstand eines Landes zumeist grob in die gleiche Richtung entwickeln, bedeutet nicht, dass man die Steigerung des BIP zum Ziel der Wirtschaftspolitik erheben sollte. Denn in all den Fällen, in denen wirtschaftliche Aktivitäten schädliche Nebenwirkungen und ungünstige Verteilungswirkungen haben, sollte man abwägen, ob der Gewinn an Bequemlichkeit oder der sonstige mögliche Vorteil diese schädlichen Nebenwirkungen wirklich aufwiegt.
Beispiel
Ein Ãkonom empfiehlt der Regierung, die Mobilität der Arbeitnehmer zu fördern. Sie soll dafür sorgen, dass diese bereit sind, dorthin zu ziehen, wo sie eine Arbeit finden. Das hilft der Wirtschaft und steigert tendenziell die Wirtschaftsleistung. Zu bedenken sind jedoch die Nebenwirkungen. Mehr Mobilität bedeutet weniger sozialen Zusammenhalt und vielleicht mehr Kriminalität. Das treibt zwar tendenziell das BIP weiter an, was aber in diesem Fall ein schlechter MaÃstab wäre. Die Bürger müssen unabhängig vom BIP entscheiden, in welcher Art von Gesellschaft sie leben wollen.
Ein anderes Beispiel ist in Zeiten der Erderwärmung inzwischen in fast jedermanns Bewusstsein angekommen. Wenn den Unternehmen das Recht genommen wird, nach Belieben Kohlendioxid in die Luft zu blasen, dann dämpft das die Wirtschaftsleistung. Für das langfristige Wohl oder gar das Ãberleben weiter Teile der Menschheit kann es jedoch ungemein wichtig sein. Im Hinblick auf das Ziel, das BIP zu steigern, wäre es ein Fehler.
Dabei handelt es sich nicht um einen Konflikt zwischen Ãkonomie und Ãkologie, sondern nur um einen Konfliktzwischen falsch messender Ãkonomie und Ãkologie. Denn korrekt wäre es, die negativen Nebenwirkungen bei der Berechnung der Wirtschaftleistung in einer Vermögensrechnung abzuziehen, so wie ein Unternehmen neben der Gewinn- und Verlustrechnung eine Bilanz seiner Vermögenswerte führt. Es weist Einnahmen, die in gleicher Höhe das Vermögen mindern, nicht als Gewinn aus. Nur die Steigerung einer vernünftig gemessenen Wirtschaftsleistung sollte Ziel der Politik sein.
Wichtig
Das BIP als Erfolgsmaà zu verwenden ist so, als würde man in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens jeden Einnahmeüberschuss als Gewinn verbuchen, auch wenn er nur dadurch entsteht, dass keine Rücklagen für die Neuanschaffung abgenutzter Maschinen gebildet werden und Reparaturen unterbleiben. Eine Unternehmensleitung, die einen so definierten Gewinn nach oben zu treiben versucht, handelt zum Nachteil des Unternehmens. Ebenso wenig ist es sinnvoll, die Steigerung des BIP zum Ziel der Wirtschaftspolitik zu erklären.
Ein Leben ohne BIP
Stellen wir uns einmal vor, es würde kein Bruttoinlandsprodukt errechnet, so wie es bis in die 1930er-Jahre hinein der Fall war. Wie würden der Wohlstand und der Erfolg der Wirtschaftspolitik eines Landes dann gemessen?
Es gäbe kein einheitliches Wohlstands- und ErfolgsmaÃ. Das wäre auch angemessen, denn es gibt keine objektiven Kriterien dafür, wie man Bildungsstand, Einkommen, Einkommensverteilung, Sicherheit, sozialen Zusammenhalt, Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzsicherheit und vieles mehr in einer Zahl zusammenfassen könnte.
Erfolgsmessungen und internationale Vergleiche würden einzeln jene Faktoren messen, die den Menschen wichtig ist. Solche Vergleiche gibt es schon heute, aber sie stehen oft tief im Schatten des missverstandenen Bruttoinlandsprodukts.
Internationale Wohlstandsvergleiche können ganz anders ausfallen als der irreführende Wohlstandsvergleich über das Bruttoinlandsprodukt. Diesem zufolge sind die USA die mit Abstand reichste unter den groÃen Volkswirtschaften. Aber:
Amerikaner müssen dafür viel mehr arbeiten als Deutsche. Insbesondere haben sie weniger Urlaub.
Die durchschnittliche Lebenserwartung von US-Bürgern ist niedriger als jene der Europäer.
Der Gesundheitszustand der US-Amerikaner ist schlechter, obwohl die Gesundheitsbranche einen sehr viel höheren Anteil zur Wirtschaftsleistung beisteuert. Das heiÃt: Ihr tatsächlicher Ertrag in Form von Gesundheit ist viel geringer als der gemessene Beitrag zum BIP.
US-Amerikaner wenden deutlich mehr Zeit für das Pendeln zur Arbeit auf, eine Tätigkeit, die den Menschen Umfragen zufolge am wenigsten Spaà macht.
Kein Land der Welt verwahrt so viele seiner Bürger im Gefängnis wie die USA. Der
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