So funktioniert die Wirtschaft
in den Lageraufbau aber alle statistischen Ungereimtheiten und Differenzen gebucht, um diese zu kaschieren.
Im Nachhinein, wenn z. B. zusätzliche Informationen aus der Steuerstatistik verfügbar sind, werden die Wachstumszahlen immer wieder korrigiert, zum Teil beträchtlich. Das BIP-Wachstum von Vierteljahr zu Vierteljahr sieht nach ein oder zwei Jahren oft ganz anders aus als zu der Zeit, in der es erstmals veröffentlicht wurde. Vieles von dem, was an Interpretation und Kommentierung der jeweils jüngsten Wachstumszahlen in den Zeitungen zu lesen ist, stellt sich später als Schätzfehler der Statistiker heraus, der korrigiert wird.
Beispiel
Bis Ende Juli 2011 galt, dass die US-Wirtschaft im Halbjahr bis März 2011 mit einer Jahresrate von 2,5 % gewachsen war â nicht überragend, doch für die USA, wo die Bevölkerung um 1 % pro Jahr zunimmt, ganz ordentlich. Dann wurden die Daten revidiert und es waren nur noch 1,3 %. Man musste sich plötzlich nicht mehr wundern, dass die Arbeitslosigkeit so hartnäckig hoch geblieben war. Hätte man gleich die Arbeitslosigkeit als Maà für die Wirtschaftslage genommen, hätte man deutlich richtiger gelegen.
Aber die BIP-Zahlen sind nicht nur ungenau, sie sind auch stark in eine Richtung verzerrt, zumindest in den USA. In den zehn Jahren bis zum 1. Quartal 2011 wurden die vierteljährlichen Wachstumsraten (auf Jahresraten hochgerechnet) bei der ersten Mitteilung in 25 Fällen zu hoch und nur in 15 Fällen zu niedrig ausgewiesen. Die erste Schätzung und die beiden nächsten, die im Monatsabstand folgen, sind diejenigen, auf die Finanzfachleute und Medien achten. Einmal im Jahr wird dann grundlegend revidiert, für mehrere Jahre rückwärts. Und dabei stellt sich dann regelmäÃig heraus, dass das Wachstum niedriger lag als in den ersten Meldungen angegeben. Im Durchschnitt betrug die Ãberschätzung des Wachstums in den genannten 40 Quartalen einen halben Prozentpunkt. Statt durchschnittlich 2,1 %, wie nach den ersten Meldungen, betrug das Wachstum nur durchschnittlich 1,6 %. Je niedriger das Wachstum, desto stärker wird es mit den ersten Meldungen überzeichnet. Beweise dafür, dass die Regierung die Hand im Spiel hatte, gibt es nicht. Die besonders deutliche Ãberschätzung in den Quartalen vor den Präsidentschaftswahlen 2004 und 2008 spricht aber auch nicht dagegen. In Europa, wo Manipulation oder Beeinflussung durch einzelne Regierungen deutlich schwieriger ist, weil die Daten international harmonisiert und kontrolliert werden, schlagen die Revisionen etwas öfter nach oben als nach unten aus.
Wichtig
Zahlen zum Wirtschaftswachstum werden im Interesse der Regierungen so erhoben, dass das gemessene Wachstum möglichst hoch ausfällt. AuÃerdem gibt es eine hohe Anfälligkeit für Schätzfehler und daher zum Teil beträchtliche nachträgliche Revisionen.
Wie entsteht Wachstum?
Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Wirtschaft stetig wächst und die Gesellschaft immer wohlhabender wird. Während des rund 1.000 Jahre währenden Mittelalters fand keine nennenswerte wirtschaftliche Entwicklung statt und der Lebensstandard der Menschen verbesserte sich nur sehr langsam und mit groÃen Rückschlägen. Erst mit Einzug der Renaissance entstand in einzelnen Ländern und Gebieten so etwas wie verbreiteter Wohlstand. Einen groÃen Schub gab es dann noch einmal Mitte des 19. Jhd. mit der zweiten industriellen Revolution. Seitdem hat sich der Lebensstandard zumindest in den Industrieländern laufend erhöht, und zwar so gewaltig, dass ein durchschnittlicher Arbeiter in Deutschland heute weitaus komfortabler lebt als mancher König im ausgehenden Mittelalter.
Möglich wurde dies durch Spezialisierung und Massenproduktion in Verbindung mit technischen Neuerungen und Verbesserungen. Wer immer etwas tut, lernt dadurch dazu und nutzt Möglichkeiten, mit demselben Aufwand mehr zu erreichen oder auch dasselbe Ergebnis mit geringerem Aufwand zu erzielen, mit anderen Worten: eine Effizienzsteigerung herbeizuführen.
Stadtluft macht frei â und reich
Nicht alle Tätigkeiten sind gleichermaÃen geeignet, technischen Fortschritt zu produzieren. Je mehr Maschinen eingesetzt werden, desto mehr Ansatzpunkte gibt es für Verbesserungen. AuÃerdem spielt die Wirtschaftsstruktur eine Rolle. Je mehr Hersteller verschiedener Produkte
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