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So funktioniert die Wirtschaft

So funktioniert die Wirtschaft

Titel: So funktioniert die Wirtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Haering
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errechnen, wird derUmsatz von Autos im ersten Jahr um den realen Umsatzanstieg erhöht (800.000 EUR + 10 %); ebenso verfährt man bei Computern (100.000 EUR + 9 %) und Haarschnitten (500.000 EUR + 5 %). Schließlich wird die Summe der drei Produktionswerte (1.514.000 EUR) durch den Produktionswert im Ausgangsjahr (1.400.000 EUR) geteilt. Das ergibt 1,08 oder einen Anstieg um acht Prozent in realer Betrachtung, also unter Herausrechnung der durchschnittlichen Preissteigerungsrate, die in diesem Fall bei fünf Prozent liegt.
    Eine Komplikation besteht darin, dass Autos und viele andere Produkte mit der Zeit immer besser, manche aber schlechter werden. Das diesjährige Auto für 9.900 EUR ist vielleicht voll verzinkt und hält daher länger als das für 9.000 EUR im letzten Jahr, zudem hat es mehr Airbags. Doch wie lässt sich die Preissteigerung in Inflation und Entgelt für Produktverbesserungen aufteilen? Die Statistiker haben ausgeklügelte Techniken dafür entwickelt. Sie werden das schon im Großen und Ganzen richtig machen, möchte man meinen. Doch auf die Frage, was „richtig“ ist, gibt es keine objektive Antwort.
    Manipulation gehört dazu
    Je mehr von den Preissteigerungen auf Qualitätsverbesserungen zurückgeführt wird, desto geringer ist die Inflationsrate und desto höher das reale Wachstum. Aus Sicht der Regierungen, denen die Statistiker direkt oder indirekt unterstellt sind, steht fest, was richtig ist: jener Wert, der das Wirtschaftswachstum als möglichst hoch erscheinen lässt. Und so lässt sich, wie ich an anderer Stelle ausführlicher dargelegt habe (Häring 2010), bei so gut wie allen statistischen Reformen der letzten Jahrzehnte eine Gemeinsamkeit beobachten: Die vom nominalen Wachstum abzuziehende Inflationsrate war nach der Reform niedriger, die reale Wachstumsrate erschien dadurch höher. Es gab noch eine Gemeinsamkeit. Bei fast allen Reformen profitierte das gemessene Wachstum der USA überdurchschnittlich stark von den Reformen. Das ist kein Zufall, denn die USA können mit ihrer großen wirtschaftlichen und politischen Macht Fakten schaffen. Sie ändern die statistischen Methoden zu ihrem Vorteil, und der Rest der Welt zieht nach, um nicht als übermäßig wachstumsschwach dazustehen und die Vergleichbarkeit der Statistiken zu wahren.
    Dabei stellen die einzelnen Änderungen an den statistischen Methoden meist durchaus Verbesserungen dar. Die Verzerrung liegt darin, dass „Verbesserungen“, die zu einem höheren gemessenen Wachstum und zu einer niedrigeren gemessenen Inflation führen, mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit umgesetzt werden als mögliche Verbesserungen, die den gegenteiligen Effekt hätten.
    Beispiel
    Während bei Computern auf Drängen der US-Regierung heute viel genauer geprüft wird, ob es Qualitätsverbesserungen gab, ist bei Qualitätsverschlechterungen öffentlicher Dienstleistungen das Gegenteil der Fall. Wo früher etwa die Produktionsmenge von Schulen und Krankenhäusern anhand der Ausgaben für Lehrer oder Ärzte ermittelt wurde, werden heute Schülerjahre und behandelte Krankheiten gemessen. Wenn aus Lehrermangel Stunden ausfallen, Klassen größer werden und die Krankenhäuser die Patienten aufgrund von Sparzwängen früher heimschicken, dann spielt das statistisch für die Produktionsmessung keine Rolle.
    Es gibt sehr wenige Ökonomen, die sich mit solchen Themen befassen. Die Regierungen können recht ungeniert die Statistiken zu ihrem Vorteil beeinflussen. Ob das jährlich einen halben Prozentpunkt beim Wachstum ausmacht oder einen ganzen, ist schwer zu beziffern.
    Gut geschätzt ist halb revidiert
    Die Wachstumsstatistiken sind noch mit einem weiteren Problem behaftet: Die Produktion der vielen Hunderttausend Unternehmen wird nicht exakt erfasst. Sehr vieles wird einfach geschätzt. Allein der Schätzfehler, der sich aus Diskrepanzen verschiedener möglicher Berechnungsweisen des BIP ergibt, ist so groß, dass die Statistiker sich genieren, ihn offen auszuweisen. Stattdessen verstecken sie ihn in einer Größe, die „Veränderung der Lagerbestände“ heißt. Der tatsächliche Lageraufbau muss in der Tat zum BIP gezählt werden, denn die produzierten, aber noch nicht verkauften Güter stellen ja produzierte Werte dar. Anders als der Name glauben macht, werden

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