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So funktioniert die Wirtschaft

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Titel: So funktioniert die Wirtschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Haering
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Bereithaltung von Eigenkapital zu reduzieren, wenn sie sich über sog. Credit Default Swaps (CDS) eine Versicherung für die in ihrem Besitz befindlichen Anleihen kauften.
    Wichtig
    Credit Default Swaps (CDS) sind Versicherungen gegen Kreditausfälle bei einem Wertpapier. Der Verkäufer des CDS übernimmt das Risiko, der Käufer des CDS erhält bei einem Ausfall eine Geldzahlung. Anders als bei einer normalen Versicherung muss man das versicherte Wertpapier nicht besitzen. Man kann also mit CDS auch eine Wette eingehen, dass eine Anleihe oder ein Kredit nicht zurückbezahlt wird.
    Wenn eine Bank eine Anleihe von Siemens hält und ein CDS auf diese Anleihe gekauft hat, kann ihr nichts passieren, so die Idee. Deshalb musste sie ab 1996 nicht mehr einen bestimmten Prozentsatz des Anleihewerts an Eigenkapital vorhalten, um ihre eigene Zahlungsfähigkeit sicherzustellen.
    Missbrauch von Kreditversicherungen
    Dieses Instrument ließ sich aber sehr leicht missbrauchen, und so geschah es auch – in großem Stil. Im einfachsten Fall gibt dazu die eine Bank CDS auf Siemens-Anleihen heraus, die die andere Bank kauft. Letztere gibt ebenfalls CDS auf Siemens-Anleihen heraus, die die erste Bank kauft. Auf diese Weise haben beide Banken pro forma ihre Anleihen abgesichert und müssen weniger teures Eigenkapital vorhalten. Wenn aber die Siemens-Anleihe tatsächlich ausfallen sollte, haben beide den vollen Schaden zu tragen, nur eben den der jeweils anderen Bank (siehe die folgende Abbildung). Das Eigenkapital, um diese Verluste auszugleichen, haben aber beide Banken nicht vorgehalten.
    Banken tauschen Risiken und senken dadurch Kapitalbedarf
    Es gibt noch eine weitere Variante dieses Tricks. Dabei verkauft ein Versicherer, wie z. B. der weltgrößte Versicherungskonzern AIG, die CDS-Policen an Banken, wie in der folgenden Abbildung dargestellt. Bank A und B tragen dann vermeintlich kein Risiko mehr und müssen weniger Kapital vorhalten. Das erscheint zunächst auch korrekt, weil die Risiken ja nun tatsächlich außerhalb des Bankensystems liegen.
    Die Risiken, an denen sich AIG verschluckte
    Was aber passiert, wenn die Anleihe tatsächlich ausfällt? Dann geht AIG pleite, weil der Konzern Riesenmengen an CDS-Policen verkauft hat. Niemand hat im Vorfeld überprüft, ob AIG auch eine ausreichende Kapitaldecke besaß, um diese massiven Risiken tragen zu können. Wäre AIG nicht mit 180 Mrd. Dollar vom amerikanischen Steuerzahler gerettet worden, wären die Banken auf ihrem Schaden sitzengeblieben und viele wären selbst pleitegegangen. Die Risiken hatten also nur scheinbar das Bankensystem verlassen, weil das Unternehmen, das sie übernommen hatte, sie gar nicht tragenkonnte. Bei ihrer Kapitalplanung taten die Banken jedoch so, als gäbe es keine Risiken mehr.
    Solche neuartigen Finanzprodukte hatten schon 1998 bei der Beinahe-Pleite des Hedge-Fonds LTCM das Weltfinanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Auch bei der Pleite des amerikanischen Energieriesen Enron im Jahr 2004 hatte sich gezeigt, welches Schindluder man damit treiben konnte. Der bekannte Investor Warren Buffet hat sie einmal als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet. Deshalb wollte die zuständige Regulierungsbehörde dafür sorgen, dass zumindest registriert wird, wer wem welche dieser Produkte verkauft. Wäre es dazu gekommen, dann hätten die Banken die Regeln zur Eigenkapitalausstattung nicht so einfach aushebeln können. Doch Greenspan, Rubin und Summers sorgten dafür, dass der aufsässigen Behörde die Zuständigkeit entzogen wurde und die neuartigen Finanzprodukte weiter völlig unreguliert blieben und im Verborgenen wachsen konnten. Die Finanzbranche konnte somit ihr Risiko und ihre Gewinne weiter vervielfältigen – bis es zur Katastrophe kam.
    Missbrauch von Kreditverbriefungen
    Ein ähnlicher Missbrauch fand bei der Verbriefung von Immobiliendarlehen statt. Durch die Verbriefungen war es den Banken möglich, den errechneten Kapitalbedarf zu senken, denn sie hielten die Kredite und das damit zusammenhängende Ausfallrisiko ja nicht mehr selbst. Oft waren die Käufer wiederum Finanzinstitute, die dann eigentlich zusätzliches Kapital hätten bereithalten müssen, um etwaige Risiken tragen zu können. In der Praxis führten diverse finanzmathematische Tricks dazu, dass die Risiken weitgehend

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