So gut wie tot
und wäre einfach weggelaufen, zurück zu dem Café, das er soeben verlassen hatte.
Doch er blieb wie gelähmt stehen.
Wie alle anderen.
Eine geradezu surreale Stille senkte sich an diesem Morgen über Manhattan, als hätte jemand einen Knopf gedrückt und einen Film angehalten. Nur die Autos bewegten sich noch, bevor auch sie vor einer roten Ampel zum Stehen kamen.
Die Leute starrten auf etwas. Er brauchte eine Weile, bis er erkannte, was sie anstarrten. Zuerst schaute er sich auf der Straße um, sah einen Hydranten und Tische vor einem Geschäft, auf denen sich Zeitschriften und Reiseführer stapelten. Die Markise eines Ladens pries Butter und Eier an. Er blickte an einer Ampel mit einer rot erleuchteten Don’t cross!-erhobenen Hand und einer Gerüstbrücke über der Kreuzung Warren Street vorbei, vor der sich der Verkehr staute.
Dann wurde ihm klar, dass die Leute nach oben schauten.
Er folgte ihren Blicken und sah zuerst nur die dichte schwarze Wolke, die sich über den Wolkenkratzern erhob. Sie sah aus, als käme sie aus dem Schornstein einer Ölraffinerie.
Ein Gebäude brannte. Entsetzt begriff er, welches Gebäude es war. Das World Trade Center.
Scheiße, Scheiße, Scheiße.
Er stand wie angewurzelt da und traute seinen Augen nicht.
Die Ampel wurde grün. Die Autos fuhren weiter, und er fragte sich, ob die Fahrer den Brand nicht bemerkt hatten oder ob sie ihn aus ihrem Blickwinkel nicht sehen konnten.
Die Rauchwolke wurde dünner. Dahinter ragte eine schwarz-weiße Antenne stolz in den leuchtend blauen Himmel. Es war der Nordturm, das wusste er von einem früheren Besuch. Erleichtert atmete er auf. Donald Hatcooks Büro befand sich im Südturm. Okay. Er würde seinen Termin also nicht verpassen.
Plötzlich erklang eine Sirene. Ein Geheul, das an- und abschwoll, lauter wurde, ohrenbetäubend laut durch die Stille hallte. Er drehte sich um und sah einen blauweißen Streifenwagen der New York Police mit drei Insassen. Der Mann auf dem Rücksitz reckte den Hals und spähte aus dem Fenster. Der Wagen brauste mit hoher Geschwindigkeit auf der falschen Straßenseite vorbei, das rote Licht warf einen Funkenschauer auf die drei gelben Taxis, die hintereinander parkten. Er bremste mit kreischenden Reifen und rollte über die Kreuzung, genau zwischen dem Lieferwagen einer Bäckerei, einem Porsche und einem weiteren Taxi hindurch.
»Oh, mein Gott! Oh, Jesus! Oh, mein Gott!«, jammerte eine Frau knapp hinter ihm. »Oh, mein Gott, es hat den Turm getroffen! Oh, mein Gott!«
Die Sirene verklang in der Ferne. Auf der Chambers Street wurde es wieder ruhig. Sie lag jetzt beinahe verlassen da. Ronnie sah einen Mann die Straße überqueren. Er trug eine Baseballkappe, einen leichten Anorak und Arbeitsstiefel und eine Plastiktüte, in der er vielleicht sein Mittagessen hatte. Er konnte die Schritte des Mannes hören. Der Mann schaute vorsichtig in alle Richtungen, als fürchtete er, von einem Streifenwagen überfahren zu werden.
Doch es kam kein zweiter Streifenwagen. Alles war still. Als könnte der eine Wagen mit der Situation fertig werden, als wäre es nur eine Bagatelle.
»Haben Sie das gesehen?«, fragte die Frau hinter ihm.
Ronnie drehte sich um. »Was ist denn passiert?«
Sie hatte langes braunes Haar und hervorstehende Augen. Zwei Einkaufstüten lagen neben ihr auf dem Gehweg, Kartons und Konservendosen waren herausgefallen.
Ihre Stimme bebte. »Ein Flugzeug! Jesus, es war ein Flugzeug! Es ist in den verdammten Turm geflogen. Ich kann es nicht glauben. Es war ein Flugzeug. Es ist in den verdammten Turm geflogen!«
»Ein Flugzeug?«
»Es hat den Turm getroffen. Es hat den verdammten Turm getroffen.«
Sie stand offenkundig unter Schock.
Nun ertönte eine weitere Sirene. Sie klang anders als der Streifenwagen, ein tiefes Tuten. Ein Löschzug der Feuerwehr.
Na toll!, dachte er. Das ist ja klasse! Ausgerechnet an dem Morgen, an dem ich mit Donald verabredet bin, fliegt irgendein durchgeknallter Spinner mit seinem Flugzeug ins World Trade Center!
Er sah auf die Uhr. Scheiße! Fast fünf vor neun! Er hatte das Café um Viertel nach acht verlassen, damit er genügend Zeit hätte, um zu seiner Verabredung zu kommen. Hatte er etwa zehn Minuten an ein und derselben Stelle gestanden? Donald Hatcooks hochnäsige Sekretärin hatte gesagt, er solle unbedingt pünktlich kommen, da Donald nur eine Stunde Zeit habe, bevor er einen Flug erreichen müsse. Nach Wichita, es konnte auch Washington gewesen sein. Nur
Weitere Kostenlose Bücher