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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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die Fugen noch nicht ganz geschlossen. Das Gleiche gilt für das Schlüsselbein. Sie können die Fugennaht am mittleren Schlüsselbein erkennen. Sie schließt sich, wenn ein Mensch etwa dreißig ist. Bei der Autopsie kann ich Ihnen eine noch genauere Schätzung liefern.« »Sie sind also sicher, dass sie um die dreißig war?«, wollte Grace wissen.
    »Ja. Auf keinen Fall sehr viel älter. Vielleicht sogar jünger.«
    Roy schwieg. Sandy war zwei Jahre jünger als er gewesen. Dazu die gleichen Haare. Der überkronte Schneidezahn.
    »Alles in Ordnung, Roy?«, fragte Joan Major.
    Ihre Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen, ein körperloses Echo.
    »Alles klar, Roy?«
    Er schaute sie an. »Ja, ja. Alles bestens.«
    »Sie sehen aus, als hätten Sie gerade ein Gespenst gesehen.«
    15
    11. SEPTEMBER 2001 Ronnie eilte den West Broadway hinunter, überquerte Murray Street, Park Place und Barclay Street. Das World Trade Center ragte jetzt steil vor ihm auf, zwei silberne Monolithen erhoben sich vor seinen Augen. Der Gestank des Feuers wurde stärker; gekräuseltes, brennendes Papier schwebte in der Luft, während Trümmer zu Boden fielen und zerschellten.
    Durch den dichten schwarzen Rauch leuchtete etwas karminrot, als blutete der Turm. Dann loderten orangefarbene Flammen daraus hervor. Mein Gott, dachte er, während sich eine dunkle Angst in seinem Inneren ausbreitete. Das kann doch nicht wahr sein.
    Menschen taumelten aus dem Gebäude, schauten betroffen nach oben, Männer in eleganten Hemden und Jacketts ohne Krawatten, manche pressten ihr Handy ans Ohr. Eine attraktive Brünette im Businesskostüm stolperte mit nur einem Schuh dahin. Plötzlich fasste sie sich an ihren Kopf, das Gesicht schmerzverzerrt, als hätte sie ein herabfallender Gegenstand getroffen. Blut lief über ihre Wange.
    Er zögerte. Weiterzugehen schien riskant. Andererseits war dieser Termin ungeheuer wichtig, lebenswichtig. Er musste es einfach wagen. Lauf um dein Leben , dachte er. Er hustete, als ihm Rauch in die Kehle drang, und trat vom Gehweg auf die Straße. Der Bordstein war höher, als er gedacht hatte, und als die Räder des Koffers auf die Straße prallten, fiel die Aktentasche herunter.
    Scheiße, nicht auch noch das.
    Als er sich bückte, um nach der Aktentasche zu greifen, erklang das durchdringende Heulen eines Flugzeugs.
    Er schaute hoch. Und traute seinen Augen nicht. Einen Sekundenbruchteil später gab es eine Explosion. Ein ungeheures metallisches Scheppern, als stießen zwei gigantische Mülltonnen aneinander. Der Lärm hallte erbarmungslos in seinem Schädel wider, und er hätte sich am liebsten die Finger in die Ohren gesteckt, um ihn zum Schweigen zu bringen. Dann spürte er die Druckwelle. Jedes Atom seines Körpers schien durcheinander gewirbelt zu werden.
    Im Südturm versprühte ein riesiger orangefarbener Feuerball glitzernde Funken und schwarzen Rauch. Einen Moment lang staunte er über die Schönheit dieses Anblicks: den Kontrast der Farben, Orange und Schwarz, die sich vor dem strahlenden Blau des Himmels abzeichneten.
    Es schien, als würden Millionen, nein, Milliarden Federn durch die Luft schweben und langsam zu Boden sinken. In Zeitlupe.
    Dann traf ihn die Wirklichkeit mit ganzer Wucht.
    Holzsplitter, Glas, Stühle, Schreibtische, Telefone und Aktenschränke stürzten vor ihm auf das Pflaster. Ein Streifenwagen hielt neben ihm, die Türen wurden schon aufgerissen, bevor er zum Stehen kam. Einige hundert Meter weiter schlug ein Gegenstand, der wie eine brennende fliegende Untertasse aussah, auf den Boden und riss einen tiefen Krater in den Asphalt. Einzelne Teile flogen brennend durch die Gegend. Auch als sie schließlich auf dem Boden landeten, brannten sie weiter.
    Mit unbeschreiblichem Entsetzen erkannte Ronnie, dass es sich um einen Flugzeugmotor handelte.
    Und das hier war der Südturm.
    In ihm befand sich Donald Hatcooks Büro. Im siebenundachtzigsten Stock. Er versuchte, aufwärts zu zählen.
    Donalds Büro. Seine erste Schätzung ergab, dass es sich genau an der Stelle befunden hatte, an der das Flugzeug in den Turm gerast war.
    Zwei Flugzeuge.
    Was zum Teufel war hier los? Herrgott, was passierte hier?
    Er starrte auf den brennenden Motor. Spürte die Hitze. Sah die Polizisten aus dem Auto springen.
    Ronnies Verstand sagte ihm, dass es keinen Termin mehr geben würde. Doch er verdrängte es. Sein Verstand täuschte sich. Seine Augen täuschten sich. Irgendwie würde er es noch zu diesem Termin schaffen.

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