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So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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wurde immer schlimmer.
    Was weißt du denn schon, kleiner Scheißer?
    Graces Funkgerät knisterte. Er hielt es ans Ohr und meldete sich.
    Es war Tony Monnington von der Spurensicherung. »Roy, ich glaube, wir haben das erste brauchbare Beweisstück gefunden.«
    Grace entschuldigte sich höflich bei dem Reporter und kehrte in den Kanal zurück. Unterwegs rief er Norman Potting an und teilte ihm mit, es werde einige Minuten dauern. Seltsam, wie rasch sich Situationen ändern konnten. Eben noch hatte er es gar nicht abwarten können, den Fundort des Skeletts zu verlassen. Wenn aber die Alternativen darin bestanden, im Regen mit Spinella zu reden oder mit Norman Potting im selben Wagen zu sitzen, wirkte der Kanal auf einmal durchaus anziehend.
    21
    OKTOBER 2007 Abbys Mitbewohnerin Sue hatte unbewusst ihr Leben verändert. Sie hatten einander kennen gelernt, als sie in einer Kneipe am Strand von Yarra in Melbourne kellnerten, und sich spontan angefreundet. Sie waren gleich alt, und Sue war genau wie Abby von England nach Australien gegangen, um Abenteuer zu erleben.
    Vor etwa einem Jahr hatte Sue ihrer Freundin erzählt, dass sie in der Kneipe mit einigen gut aussehenden und sehr charmanten Typen geplaudert hatte. Die Jungs seien am Sonntag zum Grillen eingeladen und Sue solle doch mitkommen und könne gern eine Freundin mitbringen.
    Da sie nichts Besseres vorhatten, waren sie hingegangen. Der Grillabend fand in einer coolen Junggesellenwohnung statt, einem Penthouse in einem der angesagtesten Viertel von Melbourne, von dem aus man eine herrliche Sicht auf die Bucht genoss. Abby hatte ihre Umgebung allerdings kaum wahrgenommen, weil sie vom Gastgeber Dave Nelson völlig hingerissen war.
    Es waren noch viele andere Leute auf der Party, die Männer mindestens zehn Jahre älter als sie, einige auch jenseits der sechzig, und sie erinnerten an Statisten aus einem Gangsterfilm. Die Frauen waren über und über mit Schmuck behängt und schienen frisch aus dem Schönheitssalon zu kommen. Doch auch die beachtete sie kaum. Tatsächlich sprach sie eigentlich nur mit ihrem Gastgeber, nachdem sie die Wohnung betreten hatte.
    Dave war schlank, groß, ein ungeschliffener Diamant von Mitte vierzig, tief gebräunt, mit kurzer Gelfrisur und leicht verlebtem Gesicht. Als junger Mann war er vermutlich äußerst attraktiv gewesen. Er wirkte angenehm entspannt, und genauso fühlte sie sich in seiner Nähe.
    Er bewegte sich mit einer lässigen, animalischen Anmut und schenkte den ganzen Nachmittag über großzügig Champagner aus Magnumflaschen aus. Er sei müde, weil er drei Tage lang bei einem internationalen Pokerturnier mitgespielt habe, den ›Aussie Millions‹ im Casino des Crown Plaza. Er hatte tausend Dollar Startgebühr bezahlt und vier Runden überstanden, einen Topf von über hunderttausend aufgebaut. Dann sei er leider ausgeschieden. Drei Asse, hatte er Abby wehmütig erzählt. Woher sollte er denn wissen, dass der andere zwei Asse verdeckt hielt? Dabei hatte er drei Könige besessen, zwei davon bei den verdeckten Karten!
    Abby hatte noch nie gepokert. Als alle Gäste gegangen waren, setzte er sich mit ihr hin und brachte es ihr bei. Es gefiel ihr, wie aufmerksam er war, dass er sie die ganze Zeit anschaute und ihr Komplimente machte, wie schön sie sei und wie sehr er es genieße, mit ihr hier zu sitzen. Er ließ sie stundenlang kaum aus den Augen, als würde nichts anderes mehr zählen. Er hatte gute Augen, braun mit einem grünen Schimmer, wachsam, aber mit einer gewissen Traurigkeit, als trüge er einen tiefen Schmerz in sich. Er weckte in ihr das Bedürfnis, ihn zu beschützen und zu bemuttern.
    Dave erzählte wunderbare Geschichten von seinen Reisen und wie er im Internet mit wertvollen Briefmarken und Pokerspielen ein Vermögen verdient hatte. Sein System klang einleuchtend und clever.
    Im Internet wurde rund um die Uhr gepokert. Er nutzte die Zeitzonen und loggte sich in Gegenden, wo früher Morgen war, in Partien ein. Die Leute dort waren müde und oft angetrunken. Er schaute eine Weile zu und stieg dann ein. Es war ein leichtes Spiel für einen Mann, der hellwach, nüchtern und aufmerksam war.
    Abby hatte sich immer für ältere Männer interessiert, und dieser scheinbar so abgebrühte Typ, der mit solcher Leidenschaft von winzigen, empfindlichen und wunderschönen Briefmarken und deren historischer Bedeutung sprach, faszinierte sie. Für ein schlichtes britisches Mädchen wie sie war es eine Begegnung mit einer anderen

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