Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

So gut wie tot

Titel: So gut wie tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
Vom Netzwerk:
möglich.
    Der ganze verdammte Turm stürzte in sich zusammen.
    Menschen rannten um ihr Leben. Eine Frau verlor einen Schuh und hinkte weiter, verlor den anderen auch noch. Ein grauenhaftes berstendes Geräusch, das die Sirenen übertönte, als reiße ein riesiges Ungeheuer die Welt in Stücke.
    Sie rannten an ihm vorbei. Einer, dann noch einer und noch einer, die Gesichter voller Panik. Manche waren bleich vom Staub, andere von Sprinkleranlagen durchnässt, voller Blut oder Glassplitter. Statisten in einer unheimlichen frühmorgendlichen Prozession.
    Plötzlich flog nur wenige Meter vor ihm ein BMW in die Luft und landete auf dem Dach, der Kofferraum war abgerissen. Dann sah er die schwarze Wolke wie eine Flutwelle auf sich zukommen.
    Er umklammerte den Griff des Koffers, drehte sich um und rannte den Leuten hinterher. Er wusste nicht, wohin, rannte nur, setzte einen Fuß vor den anderen, zog den Koffer hinter sich her, achtete nicht mehr darauf, ob die Aktentasche noch obenauf lag. Er rannte vor der schwarzen Wolke davon, vor dem einstürzenden Turm, vor dem Donnern in seinen Ohren, seinem Herzen und seiner Seele. Er rannte um sein Leben.
    19
    OKTOBER 2007 Mittlerweile hatte sich der Aufzug in ein lebendes Wesen verwandelt, ein übernatürliches Geschöpf. Wenn Abby atmete, seufzte, knarrte und stöhnte er. Wenn sie sich bewegte, schwankte, ruckte und schaukelte er. Ihr Mund und ihre Kehle waren ausgedörrt; Zunge und Mundhöhle fühlten sich an wie Löschpapier und sogen jedes winzige Speicheltröpfchen auf.
    Ein kalter Luftzug blies ihr hartnäckig ins Gesicht. Sie tastete in der Dunkelheit nach dem Knopf am Handy, mit dem sie die Displaybeleuchtung einschalten konnte. Sie machte es alle paar Minuten, um zu überprüfen, ob sie Empfang hatte. Und um einen winzigen, aber verzweifelt ersehnten Lichtstrahl in ihre wankende Gefängniszelle zu lassen.
    Kein Empfang.
    Mittlerweile war es 1.32 Uhr.
    Sie wählte noch einmal den Notruf, doch das schwache Empfangssignal war verschwunden.
    Zitternd las sie aufs Neue die Nachricht:
     
    Ich weiß, wo du bist.
     
    Obwohl der Empfänger seine Nummer unterdrückt hatte, wusste sie, von wem die SMS stammte. Es gab nur einen Menschen, der sie geschickt haben konnte. Woher aber wusste er ihre Nummer? Das war ihre größte Sorge. Woher zum Teufel weiß er meine Nummer?
    Es war ein Kartenhandy, das sie bar bezahlt hatte. Sie hatte genügend Krimiserien im Fernsehen gesehen, um zu wissen, dass Anrufer auf diese Weise nicht zurückverfolgt werden konnten. Drogendealer benutzten solche Handys. Sie hatte es gekauft, um mit ihrer Mutter im nahe gelegenen Eastbourne in Kontakt zu bleiben, während sie vorgab, noch immer im Ausland zu leben. Außerdem konnte sie Kontakt zu Dave halten und ihm gelegentlich Fotos schicken. Es war schwer, so lange von einem geliebten Menschen getrennt zu sein.
    Dann kam ihr ein Gedanke. War er bei ihrer Mutter gewesen? Selbst wenn, hätte sie ihm die Nummer nicht geben können. Abby achtete peinlich darauf, sie geheim zu halten. Außerdem hatte sie erst gestern mit ihrer Mutter telefoniert, und diese hatte nichts davon erwähnt.
    War er ihr vielleicht gefolgt und hatte gesehen, wo sie das Telefon gekauft hatte? Nein, unmöglich. Sie hatte es in einem kleinen Telefonladen in einer Seitenstraße vom Preston Circus gekauft und darauf geachtet, dass niemand sie beobachtete. Sie hatte sich jedenfalls bemüht.
    War er etwa im Haus? Wenn er sie nun im Aufzug gefangen hatte und in der Zwischenzeit in ihre Wohnung einbrach? Was, wenn er die Wohnung in diesem Augenblick durchsuchte?
    Angenommen, er fände –
    Unwahrscheinlich.
    Wieder schaute sie aufs Display.
    Die Worte machten ihr zunehmend Angst. Sie sprang vor lauter Panik hoch. Drückte die Leuchttaste und schob ihre Finger zum hundertsten Mal zwischen die Aufzugtüren. Heulte vor lauter Verzweiflung, weil sie auch diesmal nicht aufgingen.
    Sie rührten sich nicht von der Stelle.
    Geht bitte auf. Oh, Gott, geht doch bitte auf.
    Wieder schaukelte der Aufzug wie wild. Ein Bild blitzte in ihrem Kopf auf, Taucher in einem Haikäfig, ein großer Weißhai stieß mit der Nase gegen die Gitterstäbe. So musste es sich anfühlen. Ein großer Weißhai. Ein gefühlloser Räuber. Sie musste verrückt gewesen sein, als sie sich auf die Geschichte eingelassen hatte.
    Falls sie je in ihrer Entschlossenheit gewankt und alles, was sie besaß, dafür gegeben hätte, Dinge ungeschehen zu machen, dann in diesem

Weitere Kostenlose Bücher