So gut wie tot
Meinen Sie nicht, Sie könnten Ihre Methoden noch ein wenig verbessern?«
Roy Grace war in der Tat stolz darauf und bedauerte lediglich die Verletzungen, die seine Beamten erlitten hatten und an denen er sich die Schuld gab. Vielleicht waren Vosper die Hintergründe nicht bekannt – oder sie zog es vor, sie zu ignorieren.
Seine Antwort war vorsichtig formuliert. »Wenn man eine Operation im Rückblick betrachtet, entdeckt man immer Stellen, an denen man etwas hätte verbessern können.«
»Genau«, sagte sie. »Und eben das soll Detective Superintendent Pewe hier tun. Uns mit seinen Erfahrungen, die er bei der besten Polizeitruppe Großbritanniens gemacht hat, zur Seite stehen.«
Am liebsten hätte er eingeworfen: Da irren Sie sich. Der Typ ist ein totaler Wichser, spürte aber, dass Alison Vosper irgendetwas mit diesem Mann verband. Vielleicht stieg sie ja tatsächlich mit ihm ins Bett. Oder Pewe hatte sie, was unwahrscheinlicher war, in der Hand.
Jedenfalls war Grace in diesem Augenblick nicht gerade der Klassenprimus.
Er entschied sich, was selten vorkam, das Spiel mitzuspielen.
»Na schön. Vielen Dank für die Klarstellung. Das war wirklich hilfreich.«
»Gut.«
Gedankenversunken verließ Grace das Büro. In den vergangenen vier Jahren hatte es vier Ermittlungsleiter in Sussex House gegeben. Das System funktionierte prima. Mehr wurden auch nicht gebraucht. Jetzt aber waren sie zu fünft, und das zu einem Zeitpunkt, an dem kaum Leute eingestellt wurden und das Budget weit überzogen war. Es würde nicht lange dauern, bis Vosper und Konsorten die Zahl wieder auf vier reduzierten. Keine Frage, wer dann über die Klinge springen beziehungsweise ans Ende der Welt versetzt würde.
Er musste sich einen Plan zurechtlegen. Dafür sorgen, dass Cassian Pewe sich selbst ein Bein stellte.
Nur fiel ihm in diesem Augenblick einfach nichts ein.
39
OKTOBER 2007 Für einen Latte von Starbucks hätte er alles gegeben, Hauptsache, es war frisch gemahlener Kaffee. Doch er traute sich nicht, seinen Beobachtungsposten zu verlassen. Es gab nur einen Ausgang aus dem Gebäude, ob sie nun den Aufzug oder die Feuertreppe benutzte, und der führte durch die Vordertür, die er ständig im Auge hatte. Nur kein Risiko eingehen. Sie war schon zu lange da drinnen, viel länger als gewöhnlich, und er ahnte, dass sie etwas vorhatte.
Es war ganz schön schwer gewesen, sie aufzuspüren – und teuer. Er hatte Glück gehabt und einen alten Freund genau am richtigen Ort.
Eigentlich am falschen Ort, denn Donny Winters saß wegen Identitätsdiebstahls und Betruges im Gefängnis. Zum Glück im nahe gelegenen und als liberal bekannten Ford Open Prison, in dem es vernünftige Besuchszeiten gab. Es war riskant gewesen, ihn dort zu besuchen, und hatte einiges an Schmiergeld gekostet.
Natürlich hatte ihn seine Ahnung nicht getrogen. Alle Frauen telefonierten mit ihren Müttern. Und Abbys Mutter war überdies krank. Abby hatte sich sicher gefühlt, weil sie von einem Kartenhandy aus anrief, das die Nummer nicht anzeigte. Blöde Kuh.
Blöde, gierige Kuh.
Lächelnd betrachtete er das GSM 3060 Intercept, das er vor sich auf einer Holzkiste stehen hatte. Wenn man sich im Bereich des Handys von Anrufer oder Empfänger befand, konnte man alle Gespräche mithören und, was besonders nützlich war, alle Nummern sehen, selbst wenn sie unterdrückt wurden. Ob der Anrufer ein Handy oder einen Festnetzanschluss hatte, spielte dabei keine Rolle. Davon hatte Abby natürlich keine Ahnung.
In einem Mietwagen hatte er in der Nähe der mütterlichen Wohnung in Eastbourne Posten bezogen, bis Abby sich meldete. Lange musste er nicht warten. Donny hatte nur einen Kumpel anrufen müssen, der beruflich Mobilfunkmasten montierte. Zwei Tage später stand die Position des Mastes fest, der die Signale von Abbys Handy aufgenommen hatte.
Er hatte erfahren, dass Mobilfunkmasten in dicht besiedelten Gebieten nur hundert Meter oder sogar weniger voneinander entfernt standen. Donny hatte ihm erklärt, dass sie nicht nur Anrufe empfingen und weiterleiteten, sondern auch als Signalstation dienten. Selbst wenn das Handy auf Stand-by geschaltet war, blieb es mit dem nächsten Mast in Verbindung und sendete und empfing fortlaufend Signale.
Das Signalmuster von Abbys Telefon zeigte, dass sie sich selten aus dem Radius eines ganz bestimmten Mastes hinaus bewegte. Es handelte sich um einen Macrocell-Mast, der an der Kreuzung Eastern und Boundary Road in Kemp Town stand.
Er
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