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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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nachschaue«, sagte Hila.
    »Ich möchte dich nicht stören, du hast bestimmt was vor, und ich will nicht, daß du nur, weil ich mir Sorgen mache …«
    Warum verstellst du dich so? dachte Hila, du denkst doch ohnehin, daß ich nichts arbeite und genügend Zeit habe, aber das würdest du mir nie sagen. »Ich habe nichts vor, ich fahre gern hin«, sagte sie in das Telefon.
    »Ich habe gedacht«, flüsterte Pnina, »ihr seid doch so gute Freundinnen, fast wie Schwestern, mehr als Schwestern, du weißt ja, daß man manchmal nur mit einer Freundin sprechen kann …«
    Hila schwieg. Pnina hörte sich jetzt an wie ein Teppichverkäufer, der seine Ware anpries.
    »Nur wenn du Zeit hast … entschuldige, daß ich dich bitte, aber einer Freundin erzählt man Dinge, die man einer Mutter nicht erzählt, und Jo’ela war mir gegenüber immer verschlossen … Und wenn Jo’ela nicht zur Arbeit geht und nicht am Telefon sprechen will und nicht … wie kann ich da etwas wissen? Und sie hat mir ausrichten lassen, ich soll nicht kommen. Wann hat sie das je getan, wann? Das hat es noch nie gegeben.«
    Nun tastete Hila über ihren Bauch.
    »Sie ist wirklich verschlossen, sie war schon immer verschlossen, von Kindheit an hat man nichts aus ihr herausgebracht. Und wenn du mir sagst, daß du sie mit eigenen Augen gesehen hast, werde ich wissen, daß alles in Ordnung ist. Ich hätte dich nicht belästigt, wenn ich …«
    »Ich fahre hin«, versprach Hila. »Aber abgesehen davon, daß ich hinfahre, vielleicht hat sie einfach die Nase voll von der Arbeit? Und weil Arnon nicht da ist, hat sie beschlossen, sich vor der Welt zu verstecken, das würde ich selbst manchmal gern tun …«
    »Jo’ela?« rief Pnina erschrocken. »Entschuldige, daß ich das sage, aber du und Jo’ela … das ist etwas ganz anderes. Nimm es mir nicht übel, aber … Sie ist immer zur Arbeit gegangen! Sogar wenn die Kinder krank waren … Und bei den Schwangerschaften … immer … Erinnerst du dich nicht?«
    Hila hielt den Hörer weiter weg und nahm jetzt nur noch das Rauschen der Stimme wahr, unaufhörlich, und meinte, das Rascheln der Plastiktüten zu hören, in denen Pnina herumwühlte, wenn sie ihre Zahnbürste suchte oder ihre Blutdrucktropfen oder wenn sie vor dem Schlafengehen ihre Gummistrümpfe auszog. Diese Geräusche waren an den Schabbatabenden immer zu hören, nach dem Wochenrückblick im Fernsehen. Dann stand Pnina vorsichtig vom Sofa auf und ging in ihr Zimmer im Erdgeschoß, am Ende des Flurs, und erst nachdem das Tütengeraschel aufgehört hatte, ging der Kampf mit der Tür los. Zunächst versuchte sie immer, sie geräuschlos zu schließen, um die Familie und ihre Freunde nicht zu stören, und am Schluß fiel sie doch mit einem Knall ins Schloß.
    »Es ist ja nur schade um das viele Essen, das ich vorbereitet habe«, flüsterte Pnina plötzlich, genau in dem Moment, als Hila den Hörer wieder ans Ohr nahm.
    »Pnina, hast du wirklich gesagt, es ist schade um das Essen? Es ist doch nur schade um die Toten«, zitierte Hila belustigt, und für einen Moment kam es ihr vor, als könne sie Pninas Verwirrung und Scham durch das Telefon hindurch spüren, deshalb fuhr sie versöhnlich fort: »Wir leben im Zeitalter der Tiefkühltruhen. Man kann alles einfrieren.« Weil Pnina schwieg, die Nase hochzog und nur ihr lautes Atmen zu hören war, versprach sie noch einmal: »Ich fahre sofort hin und rufe dich an, sobald ich zurück bin.«
    Sie stand aus dem Sessel auf, zog den Stecker des Bügeleisens heraus, warf das grüne, zerknitterte Kleid auf das Sofa, zog ihr schwarzes Kleid mit den lila Blumen an, das zwar auch ein Sommerkleid war, aber trotzdem im Schrank hing, neben den Wintersachen, und dessen tief angesetzter Rock ihren Bauch kaschierte, während der runde Ausschnitt und die weiten Ärmel ihre Blässe betonten und die Farbe der Blumen dem Gesicht schmeichelte. Sie kämmte sich die Locken, band sie aber nicht zusammen, sondern steckte sie nur an einer Seite mit einem elfenbeinfarbenen spanischen Kamm auf, was ihr, wäre da nicht das einfache Kleid, vielleicht ein zu dramatisches Aussehen verliehen hätte. Trotz der Hitze wußte man nie, wen man unterwegs traf.
    Als sie mit fester Hand den schwarzen Strich um ihren Mund malte, um ihn nachher mit bräunlichem Lippenstift auszufüllen, hörte sie den Motor des Müllabfuhrwagens und beschloß, den grauen Tag heute zu ignorieren, ebenso den Staub, der durch das geöffnete Fenster hereinwirbelte, und die kleinen

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