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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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vorsichtig zu sein, und diese Selbstverständlichkeit, meine gedankenlose Naivität ist in meinen Augen schlimmer als das, was er getan hat.«
    »Und was bedeutet das?« fragte Hila.
    Jo’ela zog die Schultern hoch, fast bis zu den Ohren, und ihr Mund verzerrte sich.
    »Du schämst dich«, sagte Hila. »Es ist, weil du dich schämst.«
    »Warum sollte ich mich schämen?« fragte Jo’ela laut, ihre Ohren glühten.
    »Weil man dir angesehen hat, daß du etwas brauchst, daß du mehr als bereit bist, seine Unterstützung anzunehmen, daß er das gespürt hat«, sagte Hila, als sei das völlig selbstverständlich. »Du kannst nicht ertragen, daß man dir anmerkt, wie bedürftig du bist.«
    »Was? Was soll ich denn brauchen?« fragte Jo’ela. Ihr Mund war trocken.
    »Was alle brauchen. Bestätigung, Wärme, Liebe, Hingabe, solche Sachen eben. Er hat dich in einem Moment erwischt, als du ganz nackt warst.«
    Jo’ela hielt sich die Ohren zu. Die Berührung der kalten Hände beruhigte ihre Ohren. Es fiel ihr schwer, sich das anzuhören. »Alle brauchen das«, sagte sie schließlich. »Und alle arrangieren sich mit ihren Bedürfnissen. Ich auch. Ich brauche schon lange nichts mehr, schon seit ich ein Kind war. Das ist nicht der Grund. Ich verstehe einfach nicht, warum ich nicht darauf vorbereitet war.«
    »Das gibt es nicht, daß man nichts braucht«, sagte Hila nachdrücklich. »Es gibt nur Selbstschutz, Verdrängen oder ein Ersticken der Bedürfnisse, das ist alles.« Sie lächelte Jo’ela an. »Du bist wirklich toll.«
    »Blödsinn«, sagte Jo’ela. »Ich brauche wirklich nichts. Ich habe alles, was ich brauche. Und wenn ich, nur mal angenommen, trotzdem etwas bräuchte, möchte ich nichts davon hören, ich verzichte darauf. Es gibt ohnehin keine passende Antwort auf Bedürfnisse, von niemandem und für niemanden. Ich möchte nur wissen, was mich so schwach gemacht hat.«
    »Erstens«, sagte Hila, »haben wir gerade von dem Preis gesprochen, den man bezahlen muß, wenn man immer auf alles gefaßt sein will, und zweitens: Was ist noch passiert?«
    »Außerdem habe ich einen Unfall gebaut«, sagte Jo’ela, wie ein gläubiger Christ bei der Beichte dem Priester hinter dem Vorhang seine Sünden aufzählt.
    »Wirklich?« fragte Hila erschrocken.
    »Aber es ist nichts passiert, nur der hintere Kotflügel war verbogen, er ist schon gerichtet. Mir ist nur ein Trauma geblieben, diese Geräusche, und die Angst, aber du fährst ja nicht Auto, deshalb kannst du dir das vielleicht nicht vorstellen und fragst dich, warum ich so ein Theater darum mache.« Jo’elas Stimme wurde leiser, sie schwieg verwirrt.
    »Ich bin auch keine Chirurgin, trotzdem kann ich verstehen, wie du dich gefühlt hast.«
    »Das ist nicht dasselbe«, widersprach Jo’ela scharf. Die Erinnerung an die junge Frau mit dem runden Gesicht machte ihr angst und bedrückte sie.
    »Alles in allem?« sagte Hila schließlich und kniff die Augen zusammen, wie sie es manchmal tat, wenn sie sich sehr konzentrierte.
    »Ja? Was ist alles in allem?« fragte Jo’ela atemlos, als erwarte sie ein Gerichtsurteil.
    »Alles in allem kann bei der Sache nur etwas Gutes herauskommen, du wirst schon sehen.«
    »Bei welcher Sache?«
    »Aus allem, was dir passiert ist, was dir jetzt so schlimm vorkommt, als hättest du versagt, aber eigentlich hast du nur die Selbstkontrolle aufgegeben – der Unfall, deine Grippe, wenn wir es mal so nennen wollen, sind nichts anderes als ein Verzicht auf die Anmaßung, alles zu können, und eine Anerkennung der Tatsache, daß es auch für dich Grenzen gibt, wie für uns alle.«
    Hila sprach mit halb geschlossenen Augen und in einem Tonfall, als sei sie in Trance. Das weckte Jo’elas Widerstand, sie verzog das Gesicht und sagte wütend: »Ich habe nie behauptet, für mich gäbe es keine Grenzen, ich verstehe nicht, was du willst.« Während sie das sagte, nahm sie sich vor, den Mann mit keinem Wort zu erwähnen, zum einen fürchtete sie, etwas an dem süßen Gefühl zu zerstören, zum anderen konnte sie sich schon den Ton vorstellen, in dem Hila antworten würde: Dummkopf, warum nicht? Weil sie nichts von ihm sagen wollte, sah sie sich gezwungen, von dem Mädchen zu erzählen.
    »Gibt es so etwas, daß eine Frau keine Gebärmutter hat?« fragte Hila erstaunt.
    Jo’ela seufzte. »Ich habe dir schon vor langer Zeit von diesen Gängen erzählt, erinnerst du dich nicht?«
    »Doch, ja«, sagte Hila, »von den Müllerschen und den … wie heißen die

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