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So habe ich es mir nicht vorgestellt

So habe ich es mir nicht vorgestellt

Titel: So habe ich es mir nicht vorgestellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Gedanken versunken, daß es mir nicht auffiel, außerdem bin ich damals nicht ins Haus gekommen, und in der Dunkelheit … Wie geht es dir, Frau Doktor Goldschmidt? Warum sagt man im Krankenhaus, du seist im Krankenurlaub, und warum geht im Haus niemand ans Telefon? Ich habe dich gesucht.«
    Weit weg von der chinesischen Laterne, nahe bei der Straßenbeleuchtung, sah sie in seinen Augen fast so etwas wie Freude. »Wirklich? Hast du mich gründlich gesucht? Die ganze Zeit?« stichelte Jo’ela in einem widerspenstigen Ton, den sie schon jahrelang nicht mehr an sich wahrgenommen hatte, und beobachtete gleichzeitig, wie Ja’ara und Nedew auf den Rücksitz des Saab kletterten.
    »Ja, natürlich, ein paarmal«, protestierte er und fügte erfreut hinzu: »Und du hast darauf gewartet, daß ich anrufe.« Er wartete auf die Bestätigung, aber Jo’ela senkte den Kopf. Er war nicht beleidigt. »Ich habe dich gesucht. Obwohl ich viel Arbeit hatte, den Film vorbereiten und so …«
    »Machst du wirklich den Film über Gebärende?«
    »Ja, natürlich«, bestätigte er und berührte ihren Arm. »Aber in einem Krankenhaus im Süden, denn hier … hat es nicht geklappt.«
    »In welchem Krankenhaus?« wollte Jo’ela wissen. Er nannte den Namen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Ja’ara den Kopf aus dem offenen Autofenster schob und den Hals reckte. Die hellen Haare verdeckten ihre Augen, aber es war ja ohnehin dunkel.
    »Ich muß jetzt los«, entschuldigte sich Jo’el, der ihrem Blick gefolgt war. »Vielleicht kommst du mit uns, und anschließend trinken wir einen Kaffee?«
    »Ich kann nicht, ich habe Besuch«, antwortete Jo’ela und stellte erstaunt den bedauernden Unterton in ihrer Stimme fest. Und was ist mit deinen ganzen Entschlüssen? fuhr sie sich wütend an.
    »Wir haben wieder den braunen Umschlag vergessen«, sagte Jo’el. »Aber vielleicht ein andermal … Du wirst ja morgen in die Klinik im Süden fahren, warum hast du mir das nicht gesagt?«
    »Du hast nicht gefragt«, sagte Jo’ela und legte die Hand anden Hals.
    »Dann frage ich jetzt: Wirst du morgen dort im Krankenhaus sein?«
    »Ich muß einen Vortrag halten, das ist schon längst abgemacht.«
    »Wunderbar«, sagte er, wieder mit dieser offen gezeigten Erwartung. »Das ist wirklich wunderbar. Also abgemacht? Morgen? Ich bringe auch den braunen Umschlag mit.« Er lachte und drückte ihren Arm.
    Jo’ela hörte sich lachen. »Papageno«, sagte sie leise und erschrak. Sie berührte ihren Arm dort, wo er ihn gedrückt hatte.

14. Mais und Uranfangs-Channeling
     
    Als Jo’ela am nächsten Morgen um fünf Uhr plötzlich erwachte und die kleinen Vögel im Rolladenkasten schrien, wußte sie im ersten Moment nicht, wo sie war und was sie tun mußte. Beim Aufwachen mitten aus einem Traum hatte sie das Gefühl, nicht in ihrem eigenen Haus zu sein, nicht in ihrem Doppelbett zu liegen, sondern in ihrem Kinderbett, auf der harten Schaumgummimatratze, die mit einem dicken, braun-orange gestreiften Stoff bezogen war, darüber das weiße Bettuch, nach Stärke und Sauberkeit riechend, ein Duft, der aber nicht ganz den Schimmelgeruch der Gummimatratze unterdrückte. Doch dann wußte sie auch schon, daß die Geräusche, die von draußen kamen, zu ihrem heutigen Leben gehörten, daß dieses Bett schon lange ihres war und das Bild der Marmortreppe, auf der sie gestanden hatte, Teil eines langen Traums war, an den sie sich nur stückweise erinnerte, und auch diese Stücke würden verschwinden, sobald man sie ließ. Es war eine seltsame Vorstellung, daß sie es war, die sich erlaubte, zwischen diesen beiden Bewußtseinsebenen hin- und herzupendeln, auf ihnen zu schwimmen, ohne zu entscheiden, ohne zu wählen, welcher der reale Ort sei, als wolle sie sehen, wohin dieses entspannte Gefühl sie führe und wie lange es dauern werde, bis die Entscheidung von selbst fiel. Obwohl Jo’ela wußte, daß die Marmortreppe zu einem Traum gehörte – alle Leute träumen dauernd –, hätte sie geschworen, daß sie nicht träumte. Ganz selten nur erinnerte sie sich an Bildausschnitte. Im Traum hatte sie auf der Marmortreppe des Krankenhauses gestanden, aber eigentlich hatte die Treppe anders ausgesehen, vertraut und aus einer fernen Vergangenheit, schmaler als die des Krankenhauses, gelblich, gewunden. Sie stand zwischen dem Erdgeschoß und dem ersten Stock. In einem blauen Wollmantel, wie sie als Kind einen besessen hatte. Als sie nach dem Bettrand griff, war in ihrem Bewußtsein noch die

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