So habe ich es mir nicht vorgestellt
normal.«
»Und was können wir jetzt tun?« fragte Herr Mu’alem flehend.
»Jetzt … jetzt … Ich sage Ihnen, was wir jetzt tun«, sagte Jo’ela und winkte Monika zu, die in ihrem kurzen, schwarzen Mantel aus dem Hebammenzimmer trat. Silvia, die Oberhebamme von der Morgenschicht, war bereits gekommen. Jo’ela wandte sich wieder an Herrn Mu’alem: »Sie gehen jetzt zurück zu Ihrer Frau, setzen sich neben sie, hören sich alles an, was sie sagt, und hören es doch nicht, verstehen Sie?« Herr Mu’alem nickte gehorsam. »Seien Sie einfach lieb zu ihr und sagen Sie nichts. Befeuchten Sie ihr die Lippen, das ist alles. Mehr kann man nicht tun.«
»Und wo werden Sie sein?« fragte er voller Angst.
»Ich werde auch drinnen sein, mit Ihnen«, beruhigte sie ihn. »Und selbst wenn ich einen Moment hinausgehe, bleibe ich in der Nähe.«
»Wird es noch lange dauern?« wollte er wissen.
»Ich glaube nicht«, sagte Jo’ela mit gerunzelter Stirn. »Wenn eine Frau schon so weit ist, geht es ziemlich schnell.« Und um sich abzusichern, fügte sie hinzu: »Im allgemeinen jedenfalls.«
Noch eine ganze Weile waren jedesmal, wenn die Tür zum Kreißsaal geöffnet wurde, Frau Mu’alems Schreie zu hören. Jo’ela ging ein paarmal hinein, blieb einige Minuten und verließ den Raum wieder, während eine Hebamme von der Morgenschicht im Zimmer blieb. Als die Visite bis zur Mitte der Wöchnerinnenstation gelangt war, winkte eine Hebamme Jo’ela zu. Talia Levi, die junge Frau mit dem runden Gesicht, hatte nach ihr gefragt und wollte sich bei ihr bedanken, nun, da sie schon kurz vor der Geburt war. Weil sie gerade am Kreißsaal vorbeiging, trat sie ein, um nachzuschauen, sicher, daß es noch nicht soweit war. Sie zog das Laken von Frau Mu’alems Beinen, stieß einen aufgeregten, erstickten Schrei aus und verkündete laut: »Das Kind kommt!« Mit einem Handgriff verwandelte sie das Bett in einen Stuhl, zog mit einem Fuß eine Schüssel unter den Stuhl, direkt unter die Beine Alisa Mu’alems, die mit blassem Gesicht vor sich hinstarrte, als ginge sie das alles, was mit ihr geschah, nichts mehr an, schlüpfte in ihre Handschuhe und verlangte die Schere von der Hebamme, die plötzlich aufgetaucht war, als habe man sie gerufen, obwohl das gar nicht stimmte. Sie war wegen der intuitiven Aufmerksamkeit hereingekommen, mit der Hebammen wahrnehmen, in welchen Abständen Ärzte einen Kreißsaal betreten oder verlassen. Um genau zu sein, war sie hinter Jo’ela eingetreten, mit der munteren Unbekümmertheit eines Menschen, der gerade sein Tagwerk beginnt. Und als die letzte Preßwehe anfing, der Kopf des Kindes sich vorwärtsbewegte und Alisa Mu’alem schreiend dem Drang zum Pressen folgte, machte Jo’ela vorsichtig einen mediolateralen Dammschnitt und stellte befriedigt fest, daß die Öffnung nun groß genug war; alles bereit also. Sie griff nach dem Kopf des Kindes, zog ihn mit einer leichten Drehung heraus und hielt gleich darauf den bläulichen Körper in der Hand – lang und schwerer, als sie erwartet hatte, und dennoch so leicht –, sie schnitt die Nabelschnur durch, drehte das Kind um, gab ihm einen Klaps, schüttelte es, legte es in das weiße Bündel, das Ruchama, die Hebamme, vorbereitet hatte, schlug das Tuch um das schreiende, zitternde Kind und blickte nun zum ersten Mal Herrn Mu’alem an, der, mit weißem Gesicht, hinter seiner Frau stand und sehr laut atmete. Ruchama legte das Bündelchen in die Arme seiner Mutter, die mit letzter Kraft das kleine, gelbliche, faltige Gesicht betrachtete, das Händchen nahm und die Finger zählte. »Fünf«, verkündete sie leise. »Auch an der anderen Hand?«
»Auch an der anderen«, bestätigte Jo’ela. Sie lachte. »An den Füßen auch.«
Der Schmerz brachte Frau Mu’alem wieder zu sich, sie schreckte hoch und verlangte nach einer Erklärung.
»Die Nachgeburt ist schon da«, sagte Jo’ela schnell, mit einem Blick auf die Lippen, die sich wieder vorwurfsvoll verzogen. »Das ist ein gutes Zeichen und ein wichtiger Beweis dafür, daß wirklich alles in Ordnung ist. Und jetzt müssen wir nähen.«
»Wird da immer einfach mit einer Schere geschnitten?« fragte Herr Mu’alem heiser und schaute zu, wie sie sich auf den kleinen Hocker setzte und nähte, nachdem sie vorher noch die Nachgeburt kontrolliert hatte und der Kinderarzt seine Zufriedenheit mit dem Zustand des Neugeborenen erklärt hatte. Herr Mu’alem hielt vorsichtig seinen Sohn im Arm und lächelte einen Moment
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