So habe ich es mir nicht vorgestellt
geraten.«
»Und rät er es jetzt nicht mehr, Herr Horowitz? Ihre Tochter …« Sie betrachtete die Kleine, die ihr Gesicht in den Armen ihres Vaters versteckte, dann die Mutter, die noch immer mit hängenden Armen dastand, die Augen gesenkt. Jo’ela wagte nicht, hier, in dem gelblichen Zimmer, einfach zu sagen, was mit dem jungen Mädchen los war. Sie mußte andere Worte finden. »Es ist nicht sicher, ob sie Kinder gebären kann, wenn wir sie nicht behandeln.«
Er nickte, den Kopf zwischen die Schultern gezogen, das Gesicht zum Tisch gedreht, und murmelte etwas, von dem sie nur die Worte verstand: »… daß mir die Seele verschmachtet.«
»Wir tun ihr nichts Böses«, versuchte sie ihn zu beruhigen. Für einen Moment glaubte sie, er gebe nach. Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, betrachtete sie. »Wir sind keine Heiden, dort in der Klinik. Ganz Israel hat einen Anteil an der kommenden Welt.« Sein Erstaunen darüber, daß sie ein Zitat vorbrachte, von dem er nicht angenommen hatte, daß sie es wisse, hinderte sie aber nicht, sich selbst zu verachten, weil sie versuchte, sich einzuschmeicheln. Sie hätte schärfer sein müssen.
Aber er erhob sich. »Es gibt noch einen zweiten Teil«, sagte er im singenden Tonfall eines Talmudschülers: »Und wenn sie keinen Teil an der kommenden Welt haben, werden die Toten nicht auferstehen, und es wird kein Gesetz des Himmels geben.«
»Das ist jetzt nicht wichtig«, unterbrach ihn Jo’ela. »Wichtig ist nur, daß Henia behandelt wird. Sie wollten wissen, ob sie das Leben einer Frau führen kann, Ihre Frau hat mir das ausdrücklich gesagt.«
Frau Horowitz starrte Jo’ela mit weit aufgerissenen Augen an.
»Alles ist eitel, dumm und böse«, murmelte er. Er hob die Hand und rief: »Vertraue auf den Heiligen, aus ganzem Herzen, und stütze dich nicht auf deine eigene Einsicht. Er kennt alle deine Wege und wird sie ebnen. Halte dich nicht für klug und fürchte den Herrn und hüte dich vor dem Bösen. Heilung und Hilfe kommen nur durch Ihn.«
Jo’ela seufzte. »Gut, in Ordnung. Aber sogar von Ihren Leuten behandle ich immer wieder Frauen mit Fruchtbarkeitsproblemen und unterweise andere in der Anwendung von Verhütungsmitteln. Das heißt doch, daß man auch hier die Medizin anerkennt. Gott kann alles richten, aber darf man ihm nicht dabei helfen?« Ihre Stimme wurde immer schwächer. Alles war verloren.
Es war etwas Erschreckendes an der Art, wie er plötzlich aufstand, beide Hände auf den Tisch stützte, mit gespanntem Körper, den Stuhl nach hinten geschoben. »Er wird mir ein Zeichen geben«, sagte er mit erstickter Stimme und breitete die Hände aus. »Er wird mir den Weg zeigen.«
»Was haben Sie dagegen?« fragte sie laut, und ihre Stimme zitterte ein wenig. »Nur untersuchen, das ist doch nicht dasselbe wie eine Spritze gegen Masern, oder? Ihre Frau hat mir gesagt, daß die Kinder nicht gegen Masern geimpft werden durften. Auch nicht die Dreifachimpfung?«
Die Mutter begann, schnell und pfeifend zu atmen.
»Schon gut, schon gut, Frumet«, sagte der Vater erschrocken und trat zu seiner Frau, die sehr blaß geworden war. Er rannte in die Küche, holte ein Glas Wasser und zwang sie, es in langsamen Schlucken zu trinken. »Gut, gut, ganz ruhig, setz dich«, murmelte er und drückte sie auf einen Stuhl, den er für sie hinrückte. Dann wandte er sich zu Jo’ela. »Meine Frau ist nicht gesund«, fuhr er sie wütend an. »Sie ist nicht gesund, und sie kann von solchen Reden einen Anfall bekommen, es ist besser, Sie gehen jetzt.«
Jo’ela stand auf und trat zu dem Schrank, sah ihr Spiegelbild, dunkel und stumpf in dem blitzenden Glas. Aber im Schrank war Staub. Wie war der hineingekommen? Heilige Bücher standen darin: ein babylonischer Talmud, eine Mischna, ein Jubiläumsbuch von Beit Ja’akow und ein Silberkelch, auf dem Löwen eingraviert waren, eine Vase aus venezianischem Glas, Silberleuchter, eine Chanukkia. An den Wänden hing kein einziges Bild, nicht einmal um die schwarzen Flecken neben dem Schrank zu verdecken, inzwischen getrocknete Schimmelflecke vom winterlichen Regen.
»Was hat sie?« fragte Jo’ela, als die Frau stöhnte.
Schweigen.
»Woran leidet Ihre Frau?« wiederholte Jo’ela hartnäckig ihre Frage. »Hat die Krankheit einen Namen?«
»An Epilepsie«, sagte er widerwillig.
»Sie hat Epilepsie? Aber ihr erlauben Sie doch hoffentlich, daß sie Medikamente nimmt? Es gibt Medikamente, die die Anfälle verhindern. Bekommt sie
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