So heiß wie der Wuestenwind
subjektiv.“
„Na gut“, lenkte er ein. „Also kann ich auf die Information nicht viel geben, du hast recht.“
Bevor sie sich noch über sein Zugeständnis freuen konnte, packte er sie am Ellenbogen. Sie zuckte zusammen, und er begriff, warum. Dass sie sich berührten, zum ersten Mal seit Jahren, ließ ja auch ihn nicht kalt. Er war ja ohnehin schon erregt, seit er ihre Stimme gehört hatte.
Warum war das Leben nicht einfacher? Warum musste man immer auf Logik, auf Stolz und Pflichtgefühl Rücksicht nehmen? Warum konnten sie sich nicht wild und leidenschaftlich lieben, hier und jetzt, auf dem Fußboden dieses Zimmers, ohne an die Vergangenheit oder an die Zukunft zu denken?
Er schob den Gedanken beiseite und wies auf die Terrasse. „Du kannst mich ja beim Essen weiter beleidigen. Ich hatte dir ja schließlich in meiner Mail ein Abendessen versprochen.“
Sie trat einen Schritt zurück. „Bist du sicher, dass du das wirklich willst? Das Essen gibt mir neue Kräfte. Dann kommen mir die Beschimpfungen umso leichter von den Lippen.“
Amüsiert schüttelte er den Kopf. „Noch leichter? Geht das überhaupt? Na, das muss ich hören.“ Mit einer eleganten Geste überließ er ihr den Vortritt nach draußen.
Auf der Terrasse stand das Essen bereits fertig angerichtet auf Warmhalteplatten. Der Mond beschien die Szenerie, im Hintergrund hörte man das leise Rauschen des Ozeans.
Mit vollendeter Höflichkeit zog er einen Stuhl vom Tisch zurück, damit sie sich setzen konnte.
Sie beobachtete ihn mit hochgezogener Augenbraue, ging dann demonstrativ zum anderen Stuhl und setzte sich darauf.
Aiw’Ullah , das hatte er davon, sich ihr gegenüber wie ein Gentleman benehmen zu wollen!
Also setzte er sich auf den eigentlich für sie bestimmten Stuhl und dachte, dass das so gar nicht schlecht sei. Jetzt saß er nämlich mit dem Rücken zum Zimmer, halb im Schatten, und konnte unauffällig ihre vom Zimmerlicht und vom Mond beschienene Schönheit genießen.
Bei den Vorspeisen griff sie kräftig zu. Ihr guter Appetit machte es für ihn noch erfreulicher, sie zu betrachten. Auch das war eine Sache, die sich völlig geändert hatte. Damals war sie nämlich an der Grenze zur Magersucht gewesen. Wie ihm später bewusst geworden war, lag das an den Mitteln, die sie genommen hatte, um gertenschlank zu bleiben – und von denen war sie schließlich abhängig geworden.
„Recht so“, kommentierte er scherzhaft. „Lass dich nicht von falscher Rücksicht davon abhalten, alles aufzuessen.“
Sie sah ihn nicht einmal an, sondern aß weiter. „Keine Sorge, ich berücksichtige dich sowieso in keiner Weise.“
Wieder amüsierte ihn ihr Kommentar, und er sinnierte, ob nicht damals alles anders hätte laufen können. Wenn …
Aber es nützte ja nichts, verpassten Chancen hinterherzutrauern. Außerdem ging es hier nicht um ihn, es ging um das Schicksal zweier Länder.
„Du nimmst sowieso auf überhaupt niemanden Rücksicht“, entfuhr es ihm.
„Damit meinst du, dass ich nicht sofort zu allem Ja und Amen sage, wie?“, fragte sie. „Was erwartest du denn? Wie soll ich mich denn fühlen? Was soll ich sagen? Oh, zwei neue Eltern? Toll! Ach, die anderen sind gar nicht meine richtigen Eltern? Wie unangenehm! Sie haben mich mein ganzes Leben angelogen? Schade. Meine muskulösen Cousins sind in Wirklichkeit meine Halbbrüder? Puh, wie gut, dass ich sie nie angebaggert habe. Ich soll mein bisheriges Leben aufgeben und einen Grobian heiraten? Na, was soll’s. Kann ich einen Kaffee kriegen?“
Eigentlich war die Angelegenheit ernst. Aber die Art, wie sie ihre Seelenlage darlegte, brachte ihn erneut zum Lachen.
„Na schön“, sagte er und wurde wieder ernst. „Dass all diese plötzlichen Enthüllungen ein Schock für dich waren, kann ich sogar verstehen.“
„Tatsächlich? Kannst du mir das schriftlich geben?“
„Sogar auf Büttenpapier.“
„Prima, dann lasse ich’s mir einrahmen.“
Die Unterhaltung, dieses launige Hin und Her, machte ihm Spaß. Früher hatten sie nicht so gefrotzelt, sondern sich mehr über ihre Gemeinsamkeiten unterhalten und dabei gespürt, wie stark sie auf einer Wellenlänge lagen. Wie sehr er diese Wortwechsel vermisst hatte!
Ja, die Gespräche mit ihr hatte er immer gemocht – unter anderem. Doch er durfte nicht vergessen, dass sie auch andere Züge hatte. Ihr lasterhaftes, unmoralisches Verhalten …
Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. „All dieses Geplänkel bringt uns aber nicht
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