So hoch wie der Himmel
hatte, in ihren Beinen befände sich Blei.
»Überlaß das mir, leg du dich erst mal hin. Wir können uns morgen weiter unterhalten, wenn du dich besser fühlst.«
»Danke, Laura.« Auf der Schwelle des Gästezimmers blieb sie stehen, lehnte sich matt gegen den Türrahmen und sah die Freundin an. »Danke, dass du immer für mich zur Stelle bist.«
»Dazu hat man Freunde.« Laura gab ihr einen Kuß auf die Wange und strahlte. »Freunde sind immer für einen da. Und jetzt schlaf schnell.«
Kurzerhand ließ Margo ihre Kleider liegen, wo sie hinfielen, kroch nackt ins Bett und zog sich die warme Decke bis ans Kinn.
Der Wind heulte um das Haus, der Regen trommelte gegen die Fenster und aus der Ferne drang das Tosen der Brandung an ihr Ohr, ehe sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf versank.
Sie rührte sich auch nicht, als Ann in ihr Zimmer schlüpfte, die Decke glättete, ihr zärtlich über die Haare strich und ein leises Gebet für sie murmelte.
2
»Typisch. Da lungerst du mal wieder bis mittags im Bett herum.«
Margo hörte die Stimme, erkannte sie und stöhnte auf. »Oh Himmel, verschwinde, Kate!«
»Freut mich auch, dich zu sehen.« Mit unverkennbarer Gehässigkeit zog Kate Powell die Vorhänge zurück, so dass das grelle Sonnenlicht ins Zimmer schoß.
»Ich habe dich schon immer gehaßt.« Margo zog sich ein Kissen über das Gesicht. »Los, hau ab und nerv jemand anderen.«
»Ich habe mir extra den Nachmittag frei genommen, um dich ein bißchen auf Trab zu bringen.« Praktisch, wie sie nun mal war, nahm Kate am Rand des Bettes Platz, zerrte Margo das Kissen aus der Hand und unterzog sie einer gründlichen Kontrolle. »Du siehst nicht halb so schlimm aus, wie ich befürchtet hatte.«
»Für einen Zombie bestimmt nicht schlecht«, murmelte Margo, machte ein Auge auf, sah Kates Grinsen und klappte das Auge eilig wieder zu. »Hau ab.«
»Wenn ich abhaue, nehme ich den Kaffee mit.« Kate erhob sich und schenkte ihnen beiden aus der Kanne, die sie am Fuß des Bettes abgestellt hatte, ein. »Und die Croissants ebenfalls.«
»Croissants?« Margo schnupperte, machte vorsichtig beide Augen auf und entdeckte, dass Kate eins der duftigen Hörnchen in zwei Hälften brach. Der Dampf, der aus dem Inneren zur Decke stieg, verströmte einen köstlichen Geruch. »Ich muß im Schlaf gestorben sein, sonst brächtest du mir sicher nicht das Frühstück hierher ans Bett.«
»Mittagessen«, verbesserte Kate, ehe sie herzhaft in ihre Hälfte des Gebäckstücks biß. Wenn Kate einmal daran dachte zu essen, dann tat sie es mit Hochgenuß. »Laura hat mich darum gebeten. Sie musste zum Treffen irgendeines Komitees, das sich nicht verschieben ließ.« Kate hob das Tablett vom Boden auf. »Setz dich hin. Ich habe ihr versprochen, dafür zu sorgen, dass du etwas ißt.«
Margo zog sich die Decke über die Brust und streckte gierig die Hand nach der Kaffeetasse aus. Sie trank einen Schluck und spürte, dass langsam ihre Lebensgeister erwachten. Dann musterte sie, während sie an ihrem Kaffee nippte, die junge Frau, die gerade reichlich Erdbeermarmelade auf eins der Teilchen gab.
Das ebenholzfarbene Haar war so kurz, dass das leicht gebräunte, dreieckige Gesicht vorteilhaft zur Geltung kam. Margo wusste, dass Kate die Haare nicht aus modischen, sondern aus praktischen Erwägungen heraus so kurz geschoren trug. Glücklicherweise bildete dieses die klassische Ergänzung zu ihren großen, exotischen braunen Augen und ihrem kühn gereckten Unterkiefer. Männer fänden ihren leichten Überbiss sicher anziehend, und Margo musste zugeben, dass er Kates gesamtem Erscheinungsbild eine entzückende Weiblichkeit verlieh.
Nicht, dass Kate Gefallen an Weiblichkeit fand. Das adrette marineblaue Nadelstreifenkostüm betonte die kühle Geschäftsfrau, die sie war. Der Goldschmuck hielt sich in geschmackvollen Grenzen, italienische Pumps ergänzten ihr Outfit. Selbst ihr Parfüm, dachte Margo, als ihr der Duft in die Nase stieg, betonte ihre nüchterne Ernsthaftigkeit.
Der Leg-dich-ja-nicht-mit-mir-an-Geruch, dachte Margo und lächelte.
»Du siehst sogar aus wie eine verdammte Steuerberaterin.«
»Und du wie eine Genießerin!«
Sie grinsten einander nachsichtig an. Keine der beiden war darauf vorbereitet, dass Margo mit einemmal Tränen in die Augen bekam.
»Hilfe, bitte tu das nicht.«
»Entschuldigung.« Schniefend fuhr sich Margo mit den Händen über die Wangen.
»Es ist nur so, dass ich im Augenblick furchtbar durcheinander bin. Ich
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