So hoch wie der Himmel
allen Punkten freigesprochen. Natürlich hält das die Presse nicht von weiteren Spekulationen ab; aber zumindest hatte Alain den Anstand, vor Gericht zu erklären, dass ich an der ganzen Sache unbeteiligt war.«
Obgleich selbst diese Erklärung sie unglaublich erniedrigte. Der Beweis ihrer Unschuld kam dem Beweis ihrer Dummheit gleich.
»Du hast mit einem verheirateten Mann geschlafen.«
Margo öffnete den Mund, doch dann klappte sie ihn wieder zu. Gegenüber ihrer Mutter wäre jede Entschuldigung, jede Erklärung vollkommen unsinnig. »Ja.«
»Mit einem verheirateten Mann, Vater mehrerer Kinder.«
»Schuldig«, gab Margo verbittert zu. »Wahrscheinlich werde ich dafür in der Hölle landen, auch wenn ich bereits zu Lebzeiten dafür zu zahlen gezwungen bin. Er hat einen Großteil meines Geldes veruntreut, hat meine Karriere zerstört und mich in der Sensationspresse öffentlich blamiert.«
In Ann wallte Mitleid für ihre Tochter auf, doch sie unterdrückte es. Margo hatte sich ihr Schicksal selbst gewählt. »Und jetzt bist du hierher zurückgekommen, weil du dich vor der Welt verstecken willst.«
Weil ich gesunden will, dachte Margo, obgleich die Vermutung ihrer Mutter durchaus zutraf. »Ich wollte einfach für ein paar Tage an einen Ort, wo man mich in Ruhe läßt. Wenn es dir allerdings lieber ist, dass ich verschwinde, dann …«
Ehe sie den Satz beendet hatte, öffnete sich mit einemmal die Küchentür.
»Was für ein Abend. Annie, Sie sollten …« Laura blieb stehen wie vom Donner gerührt. Ihre ruhigen, grauen Augen fielen auf Margo. Ohne zu zögern sprang sie auf sie zu. »Margo! Oh, Margo, endlich bist du wieder da!«
Und in diesem Augenblick, in dem die Freundin sie glücklich an sich zog, kehrte sie tatsächlich heim.
»Sie meint es nicht so, wenn sie dir gegenüber abwehrend ist, Margo«, versuchte Laura sie zu beschwichtigen. Anderen Menschen Trost zu spenden war ihr eine Herzensangelegenheit. Auf den Gesichtern von Mutter und Tochter nahm sie Schmerz wahr, auch wenn es schien, als wären die beiden Betroffenen blind dafür. Als Margo nur mit den Schultern zuckte, schenkte Laura den Tee, den Ann gekocht und sie selbst in ihr eigenes Wohnzimmer hinaufgetragen hatte, in zwei Becher ein. »Es hat sie wahnsinnig mitgenommen.«
»Ach, ja?« Margo paffte eine Zigarette und sah grübelnd durch das Fenster in den Garten hinaus, in dem um diese Jahreszeit, wie sie sich erinnerte, ein Meer von Glyzinen in voller Blüte stand. Und hinter den Blumen, dem Rasen und den ordentlichen Steinmauern fielen die Klippen zum Meer hinab. Sie lauschte Lauras Stimme, die schon immer beruhigend sanft geklungen hatte, und erinnerte sich daran, wie sie als Kinder in diesen Raum geschlichen waren, einst Mrs. Templetons Domäne. Wie sie davon geträumt hatten, eines Tages ebenso elegante Damen wie sie zu werden.
Sie drehte sich um und unterzog ihre Freundin einer nachdenklichen Musterung. Wie früher schon so oft bewunderte Margo ihre Lieblichkeit. Ein Gesicht, das für Salons, Gartenfeste und elegante Bälle wie geschaffen war. Und offenbar folgte Laura dem Ruf ihres Schicksals getreulich.
Ihr lockiges, goldenes Haar war sorgsam geschnitten, so dass es in leichten Wellen um ihre zarten Wangen fiel. Ihre Augen waren so klar und offen, dass sie das Gefühl hatte, sich selbst in ihnen zu spiegeln. Jetzt drückten sie ehrliche Besorgnis aus, und auch Lauras gerötete Wangen verrieten, dass sie erregt und bekümmert war. Immer, wenn Lauras Gefühlswelt aus dem Gleichgewicht geriet, wurde sie entweder rot oder aber kreidebleich.
»Komm und setz dich«, befahl sie jetzt. »Trink ein wenig Tee. Dein Haar ist ganz feucht.«
Geistesabwesend schob Margo es über die Schultern zurück. »Ich war unten an den Klippen.«
Laura blickte in Richtung der Fenster, gegen die der Regen schlug. »Bei diesem Sturm?«
»Mir fehlte der Mut, sofort hierherzukommen.«
Trotzdem nahm sie Platz und hob gehorsam den Becher an ihren Mund. Margo erkannte ihn als Teil des alltags verwendeten Doulton-Geschirrs. Wie oft hatte sie Ann darum gebeten, dass sie ihr die Namen und die Muster der in Templeton House verwendeten Porzellane, Kristalle und Silber erläuterte? Und wie oft hatte sie davon geträumt, eines Tages die Besitzerin ebenso schöner Dinge zu sein?
Im Augenblick genügte es ihr, dass die Wärme des Tees durch das Porzellan an ihre kalten Hände drang.
»Du siehst phantastisch aus«, sagte sie zu Laura. »Mir kommt es komisch vor,
Weitere Kostenlose Bücher