So hoch wie der Himmel
je auf das dort Gelehrte zu achten. Wozu brauchte sie schon Geschichte oder Algebra? Was man in jeder Saison in New York oder Miami trug und von welchen Designern man sich augenblicklich in Mailand beraten ließ, darauf kam es an.
Einfach jämmerlich, dachte Margo, als sie auf der windumtosten Klippe oberhalb des Meeres stand: Ihr ganzes bisheriges Leben verdiente das Prädikat jämmerlich!
Noch vor einem Monat hätte sie behauptet, ihr Leben sei perfekt. Alles war gelaufen wie geplant. Sie hatte eine Wohnung im richtigen Teil der Stadt besessen, in den angesagten Restaurants diniert und den richtigen Boutiquen eingekauft. Ihr Freundeskreis bestand aus reichen, bekannten oder verrückten Typen. Regelmäßig hatte sie exklusive Partys aufgesucht, wo sie von der Presse umlagert und von Männern umschwärmt war. Und natürlich hatte sie die Artikel, in denen man sich in Spekulationen über ihr Privatleben erging, mit gespieltem Desinteresse abgetan.
Ihre Karriere hatte sie an ihr Ziel geführt. Ins Rampenlicht.
Dann gestattete sie sich mal wieder einen Liebhaber. Einen zuvorkommenden, geschliffenen älteren Herren, wie er ihr gefiel. Einen Franzosen. Der natürlich verheiratet war, aber das hatte sie als bloße Formsache mit einem Schulterzucken abgetan. Ein durchaus modernes Hindernis, das sich am Ende selbstverständlich überwinden ließ. Die Tatsache, dass sie zur Geheimhaltung ihres Verhältnisses gezwungen gewesen war, hatte den Reiz der Affäre noch erhöht. Einen Reiz, den sie, wie sie nun erkannte, fälschlicherweise als Zeichen ihrer Leidenschaft gewertet hatte.
Und nun war es vorbei.
Sie hätte nicht gedacht, dass man sie so schockieren oder verängstigen konnte wie bei dem Verhör in Athen. Das Entsetzen darüber, allein zu sein, hatte ihr gezeigt, dass sie recht unsanft aus einer Welt der Privilegien in eine Welt der Gefahren hineingeschlittert war. Und als keiner ihrer schicken Freunde zu ihrer Rettung auftauchte, war sie gezwungen, allein für sich einzustehen und zu überdenken, um wen es sich bei Margo Sullivan überhaupt handelte.
Aber offenbar hatte es noch nicht gereicht.
Sie setzte sich auf einen Stein und zupfte gedankenverloren eine wattige weiße Blüte von ihrem schlanken Stiel. Laura wüßte bestimmt, wie diese Blume hieß, überlegte sie. Aber schließlich war Laura selbst, trotz der Privilegien, die sie seit ihrer Geburt genoß, eher der Wildblumentyp, während Margo aus dem Gewächshaus zu stammen schien.
Sie war ruiniert.
Irgendwie sah die Aussicht auf einen Bankrott harmloser aus, ehe Kate mit ihren nüchternen Zahlen aufwartete. Nun musste sie jedoch der Realität ins Auge sehen. Sie war oder würde bald ohne ein Dach über dem Kopf, ohne ein Einkommen, ohne eigenes Konzept sein.
Die Blume in ihrer Hand weckte ihr Interesse. Sie war einfach und stur; sie schob ihre Wurzeln in den kargen Untergrund und kämpfte sich hinauf ans Sonnenlicht. Risse man die Blüte vom Stengel ab, so wüchse in Bälde eine zweite nach.
Jetzt begriff sie, dass sie in ihrem ganzen Leben noch nie gezwungen war zu kämpfen. Und sie fürchtete, einfach dahinzuwelken, wenn sie jetzt nicht die Initiative ergriff.
»Wartest du auf Seraphina?«
Margo sah weiterhin unverwandt auf die Blume, als Josh zu ihr auf die Klippe balancierte. »Nein, ich döse bloß.«
»Laura fährt die Mädchen zu ihrem Ballettunterricht, und ich dachte, ein Spaziergang wäre vielleicht genau das Richtige für mich.« In der Tat hatte er überlegt, ob er schnell eine Runde Tennis spielen sollte, als er durch das Fenster seines Schlafzimmers Margo allein da draußen sitzen sah. »Was macht Kate?«
»Arbeitseifrig und effizient wie eh und je. Zweifellos ist Bittie und Partner für sie der Himmel auf Erden.«
Er erschauerte. »Allmächtiger!«
Das leise Lachen tat ihr gut, so dass sie die Haare nach hinten warf und die Zähne zeigte. »Wir sind so furchtbar oberflächlich, du und ich. Wie halten wir es überhaupt nur mit uns aus?«
»Indem wir nie lange genug still stehen, um uns genau zu betrachten. Ist es das, weshalb du im Augenblick so niedergeschlagen bist?« Er zupfte an ihrem Haar. »Hast du dich selbst vielleicht zu genau studiert?«
»Das passiert nun mal, wenn einem der Spiegel vorgehalten wird.«
Er nahm ihr die getönte Sonnenbrille ab und sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Die reinste Hexenvisage«, sagte er, ehe er ihr die Brille wieder auf die Nase schob. »Willst du wissen, wie sie auf mich
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