So hoch wie der Himmel
verklagst du ihn nicht?«
»Was für einen Sinn hätte das?« Margo sah sie mutlos an. »Außer, dass es ein gefundenes Fressen für die Presse wäre.« Wieder ging es ihr um ihren Stolz, erkannte sie. Wobei es sich erübrigte, Kate zu fragen, ob sie sich diesen Stolz überhaupt noch leisten konnte. »Dann ist es also so, dass ich alles, was ich besitze, aufzugeben gezwungen bin. Alles, wofür ich gearbeitet habe, alles, was mir etwas bedeutete.«
»Bingo!« Elend legte Kate den Ordner beiseite. »Ich werde dir nicht sagen, dass das alles nur Gegenstände sind, Margo. Natürlich stimmt das nicht so. Aber es wäre eine Krücke in deiner Notsituation. Wobei es natürlich auch andere Mittel gibt. Zum Beispiel könntest du deine Geschichte an die Sensationspresse verkaufen, die dir bestimmt ein hübsches Sümmchen dafür zahlt.«
»Warum gehe ich dann nicht gleich auf den Strich? Das wäre weniger erniedrigend.«
»Oder du wendest dich an die Templetons.«
Margo machte die Augen zu. Es beschämte sie, dass dies, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, eine ernsthafte Versuchung darstellte.
»Sie würden dir bestimmt etwas borgen«, sagte Kate sanft, »bis du wieder auf den Beinen stehst.«
»Klar! Aber das will ich einfach nicht. Nach allem, was sie für mich getan haben und was sie immer für mich gewesen sind. Überdies ertrüge meine Mutter diese Schande nicht, und ich habe sie bereits traurig genug gemacht, ohne dass ich jetzt auch noch betteln gehe.«
»Zehntausend kann ich dir leihen. So viel habe ich flüssig«, fuhr Kate entschieden fort. »Damit wäre zumindest ein Loch gestopft, und ich weiß, Laura und Josh gäben dir gern ebenfalls etwas. Es wäre keine milde Gabe, sondern ein Darlehen, wie es zwischen Freunden üblich ist und dessen man sich keinesfalls schämen muß.«
Margo starrte gerührt und verlegen auf die Saphire und Diamanten, die an ihren Fingern funkelten. »Damit ich meinen Stolz und meine Pelze und meine Diamanten behalten kann!« Langsam schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich glaube, dass ich davon gar nichts behalten sollte. Aber trotzdem, vielen Dank.«
»Denk erst mal in Ruhe darüber nach und wäge die verschiedenen Möglichkeiten sorgsam gegeneinander ab. Das Angebot bleibt bestehen!« Kate nahm erneut die Akte in die Hand, hielt sie der Freundin hin und wünschte sich, sie könnte mehr für Margo tun. »Hier stehen sämtliche Zahlen. Der ungefähre Marktwert des Schmucks basiert auf den Schätzungen der Versicherungen, und bezüglich des Verkaufswerts deines Wagens, deiner Wohnung und aller anderen Dinge habe ich nach Abzug sämtlicher Kosten und Steuern zusätzlich einen Verlust von zehn Prozent einkalkuliert. Falls du beschließen solltest, dich von allem zu trennen, bekämst du wieder ein wenig Luft. Nicht viel, aber genug, um ein Weilchen zu überleben.«
Und dann? dachte Margo, doch diese Frage wagte sie nicht laut zu stellen. »Okay. Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass du das ganze Durcheinander für mich gesichtet hast.«
»Das ist schließlich meine Stärke.« Auch wenn ihr diese Stärke im Augenblick geradezu jämmerlich erschien. »Margo, laß dir ein paar Tage Zeit. Denk gründlich über die Situation nach.«
»Versprochen.« Sie erhob sich und lachte schief, als ihre Knie zitterten. »Himmel, ich scheine in der Tat ziemlich wacklig auf den Beinen zu sein.«
»Setz dich wieder hin. Ich hole dir ein Glas Wasser.«
»Nein.« Margo hob abwehrend die Hand. »Frische Luft wird mir guttun.«
»Ich komme mit.«
»Nein danke. Im Augenblick wäre ich lieber kurz allein.«
Teilnahmsvoll strich Kate ihr übers Haar. »Meinst du, dass es dir, wenn du die Überbringerin der Hiobsbotschaft umbringst, vielleicht bessergeht?«
»Eher nicht!« Statt dessen nahm sie Kate entschieden in den Arm, ehe sie mit einem ›Ich melde mich bei dir‹ den Raum verließ.
Sie wollte tapfer sein. Ihr Leben lang hatte sich Margo nach Abenteuern, Ruhm und der damit verbundenen Romantik gesehnt. Gerne wäre sie eine jener sorglosen, verwegenen Frauen geworden, die den verschiedenen Trends nicht einfach folgten, sondern die für ihre Schaffung verantwortlich zeichneten. Jahrelang hatte sie ihren Sinn für Stil, ihr Aussehen und ihre Sexualität zur Erreichung dieses Zieles eingesetzt. Die Schule hatte sie stets als notwendiges Übel angesehen, das es möglichst rasch zu überstehen galt. Anders als Laura oder Kate hatte sie einfach einen Teil ihrer Zeit im Klassenraum verbracht, ohne
Weitere Kostenlose Bücher