So hoch wie der Himmel
Ballettröckchens. »Am anderen Ende des Korridors schlafen zwei kleine Mädchen, die einen Menschen in ihrem Leben brauchen, der ihnen ein Gefühl von Stabilität und Stärke vermittelt. Margo …« Sie blickte irgendwie verwundert auf. »Ich glaube nicht, dass er sie liebt. Vermutlich sind sie ihm nicht einmal ansatzweise wichtig. Ich käme damit zurecht, dass er mich nicht liebt. Aber Ali und Kayla sind seine Kinder.« Wieder strich sie über den Tüll wie über den schmalen Körper des Mädchens. »Er wollte Söhne. Ridgeways. Söhne, aus denen eines Tages Männer werden, die den Familiennamen weitergeben. Tja« – sie legte das Röckchen neben sich –, »statt dessen hat er eben zwei Töchter gekriegt.«
Margo zündete sich eilig eine Zigarette an und zwang sich, Platz zu nehmen. »Erzähl mir, was passiert ist.«
»Er hat aufgehört, mich zu lieben. Das heißt, im Grunde bin ich gar nicht sicher, ob er überhaupt je so etwas wie Liebe für mich empfand. Aber er wollte eine Frau von Rang.« Sie zuckte die Achseln. »Und er dachte, mit mir hätte er eine abbekommen. Im Verlauf der letzten Jahre gab es immer häufiger Zusammenstöße. Genauer gesagt, ich habe angefangen, ihm laut zu widersprechen. Was ihm nicht gefiel. Oh, es ist sinnlos, alle Einzelheiten aufzuzählen.« Ungeduldig winkte sie ab. »Vor allem haben wir uns völlig auseinandergelebt. Er verbrachte mehr und mehr Zeit außerhalb von zu Hause. Seit längerem argwöhnte ich bereits ein Verhältnis, aber als ich ihm diesbezüglich Vorhaltungen machte, geriet er außer Rand und Band. Also entschuldigte ich mich für meinen Irrtum.«
»Aber du hast dich nicht geirrt.«
»Ich bin mir bezüglich damals nicht sicher. Aber das ist jetzt auch egal.« Laura rieb sich erst die Arme und griff dann, um ihre Hände zu beschäftigen, abermals nach dem Rock. »Seit über einem Jahr hat er mich nicht mehr angerührt.«
»Ein Jahr!« Vielleicht war es närrisch, von der Vorstellung einer Ehe ohne Intimität überrascht zu sein, aber trotzdem traf es Margo wie ein Schock.
»Anfangs schlug ich ihm vor, mit mir zu einer Eheberatung zu gehen, aber der Gedanke hat ihn geradezu entsetzt. Dann dachte ich, vielleicht sollte ich mich selbst einer Therapie unterziehen, und er war immer noch vollkommen außer sich.« Laura sah ihre Freundin mit einem dünnen Lächeln an. »Früher oder später käme es sicher heraus, und was dächten dann die Leute über uns?«
Kein Sex. Seit einem Jahr. Margo kämpfte gegen ihre innere Blockade an und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch. »Das ist doch wirklich die Höhe!«
»Vielleicht. Aber irgendwann war es mir egal. Daher konzentrierte ich mich nur noch auf meine Kinder, den Haushalt, mein Leben.«
Was für ein Leben? hätte Margo am liebsten rausgebrüllt, doch sie beherrschte sich.
»Aber in den letzten paar Wochen konnte ich sehen, dass die Sache an den Kindern nicht spurlos vorüberging. Vor allern Ali wurde immer trauriger.« Ergeben legte sie das Röckchen fort und faltete die Hände im Schoß. »Nachdem du gegangen warst, beschloss ich die Dinge zu klären. Wir mussten retten, was noch zu retten war. Also habe ich ihn in unserem Penthouse aufgesucht. Ich dachte, es wäre besser, wenn wir uns dort unterhielten, wo die Kinder nicht in der Nähe sind. Ich war willens, alles Notwendige zu unternehmen, damit unsere Ehe wieder funktioniert.«
»Du warst willens …«, unterbrach Margo sie, sprang auf und stieß zornig eine Rauchwolke aus. »Das klingt, als ob …«
»Es ist egal, wie es klingt«, bemerkte Laura leise. »Ich wollte nichts unversucht lassen. Also, es war schon ziemlich spät. Vorher hatte ich noch die Mädchen ins Bett gebracht. Den ganzen Weg bis zum Penthouse habe ich diese kleine Rede geübt, in der es darum ging, dass wir seit zehn Jahren verheiratet sind, eine Familie haben, eine gemeinsame Vergangenheit, die sich nicht so einfach wegwerfen läßt.«
Bei dem Gedanken an ihre Rede stand sie blinzelnd auf. Ein kleiner Brandy wäre sicher nicht verkehrt. Sie schenkte ihnen beiden ein und fuhr mit ihrem Bericht fort. »Das Penthouse war abgeschlossen, aber ich habe einen Schlüssel. Das Arbeitszimmer lag im Dunkeln.« Ruhig reichte sie Margo eins der Gläser, ehe sie mit ihrem eigenen Schwenker wieder aufs Sofa sank. »Zuerst war ich verärgert, weil ich dachte, dass er zu einem späten Abendessen oder so ausgegangen und ich ganz umsonst gekommen war. Dann jedoch fiel mir das Licht auf, das durch den
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