So hoch wie der Himmel
Steuererklärungen verfällt sie immer erst mal für mindestens vierundzwanzig Stunden in einen geradezu komatösen Schlaf.«
»Sie wird kommen«, versprach Margo ihr.
»Man könnte meinen, ich läge auf meinem Totenbett«, murmelte Laura. »Also gut, ich werde dafür sorgen, dass man ihr Zimmer herrichtet. Und deins ebenfalls. Am besten machen wir uns ein paar Sandwiches.«
»Ich kümmere mich um die Sandwiches. Du sorgst dafür, dass jemand die Zimmer übernimmt.« Auf diese Weise, dachte Margo, während sie eilig den Salon verließ, bekäme sie genügend Zeit, ihre Mutter nach Laura auszufragen.
Wie erwartet fand sie Ann in der Küche vor, die bereits mit dem Belegen von Schnittchen und dem Schneiden rohen Gemüses beschäftigt war.
»Wir haben nicht viel Zeit«, setzte Margo an, während sie gleichzeitig nach der Kaffeekanne griff. »Sie wird in einer Minute hier unten sein. Es geht ihr doch nicht wirklich gut, oder was meinst du?«
»Laura kommt mit der Sache zurecht. Allerdings spricht sie nicht darüber. Bisher hat sie nicht einmal ihre Eltern kontaktiert.«
»Dieser elende Wichser, dieser Widerling!« Ihre Beine zitterten vor Müdigkeit, so dass es ihr schwerfiel, so durch die Küche zu stürmen, wie es ihren Gefühlen entsprochen hätte. »Und diese kleine Schlampe von Sekretärin, die für ihre Leistung sicher noch Überstunden gutgeschrieben kriegt!« Als sie dem Blick ihrer Mutter begegnete, brach sie ab. »Also gut, in bezug auf Alain war ich nicht viel besser als sie. Und vielleicht gilt auch meine Leichtgläubigkeit, dass die Scheidung bereits in die Wege geleitet war, nicht als Entschuldigung; aber zumindest wurde mein Gehalt nicht obendrein von der Familie seiner Frau bezahlt.« Sie trank den Kaffee schwarz, in der Hoffnung, auf diese Weise einen Teil ihrer Müdigkeit zu überwinden. »Eine Strafpredigt kannst du mir später halten. Im Augenblick möchte ich wissen, wie es um Laura steht.«
Anns scharfem mütterlichen Blick blieb nicht verborgen, wie erschöpft und besorgt ihre Tochter war. »Meine Standpauke erspare ich mir und dir. Diese Predigten haben schon, als du noch ein Kind warst, nichts genützt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es heute anders ist. Du gehst deinen eigenen Weg, Margo, das hast du bisher stets so gehalten. Trotzdem hat dein Weg dich hierher geführt in einem Augenblick, in dem eine Freundin auf deine Hilfe angewiesen ist.«
»Ach ja? Bei Lichte besehen war immer sie die Stärkere. Die Bessere. Die Freundlichere.«
»Meinst du, du bist die einzige, die Verzweiflung überwältigt, wenn ihre Welt in Trümmern fällt? Meinst du, du bist die einzige, die sich lieber die Decke über den Kopf ziehen würde, statt sich den Dingen zu stellen?«
Wütend warf Ann den Brotlaib auf den Tisch. Oh, sie war müde, voll des Mitgefühls, und in ihren Gefühlen herrschte Aufruhr. Einerseits empfand sie Freude, weil ihre Tochter wieder zu Hause war, andererseits Traurigkeit über Lauras Schicksal; obendrein ging es ihr elend, weil sie nicht wusste, wie sie auch nur einer der beiden jungen Frauen helfen könnte, denen sie in inniger Liebe verbunden war.
»Sie hat Angst, jede Menge Schuldgefühle, und macht sich Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Dabei bin ich mir sicher, dass es noch schlimmer kommt.« Sie preßte die Lippen zusammen, doch dann platzte es weiter aus ihr heraus. »Ihre Familie ist zerbrochen, und ob du es siehst oder nicht, auch ihr Herz. Es ist an der Zeit, dass du ihr einen Teil dessen zurückzahlst, was sie dir stets gewährte, und sie bei der Bewältigung ihrer Probleme unterstützt.«
»Weshalb meinst du wohl, bin ich schon wieder hier?« grollte Margo. »Ich habe alles stehen und liegen lassen und bin sechstausend Meilen geflogen, um bei ihr zu sein.«
»Eine noble Geste!« Ann bedachte ihre Tochter mit einem harten, vorwurfsvollen Blick. »Du hast schon immer ein Talent für große Gesten gehabt, Margo, aber Beständigkeit sieht anders aus. Und? Wie lange wirst du dieses Mal bleiben? Einen Tag, eine Woche? Wie lange wird es dauern, bis du dich wieder von deiner Rastlosigkeit ergreifen läßt? Bis du wieder in dein glamouröses Leben zurückjettest, wo du an niemanden denken mußt als an dich selbst?«
Da ihre Hände zitterten, stellte Margo ihre Tasse ab. »Warum redest du nicht weiter, Mum? Klingt, als ob du noch jede Menge loswerden möchtest.«
»Oh, es ist leicht für dich, zu kommen und zu gehen, wie es dir gefällt, nicht wahr?
Weitere Kostenlose Bücher