So hoch wie der Himmel
Spalt der Schlafzimmertür in den Korridor drang. Beinahe hätte ich angeklopft. Kannst du dir vorstellen, wie jämmerlich allein diese Vorstellung ist, Margo? Um ein Haar hätte ich in meiner eigenen Wohnung angeklopft. Statt dessen öffnete ich dann einfach die Tür.« Sie trank einen Schluck. »Und in der Tat nahm er gerade ein verspätetes Abendessen zu sich.«
»Zusammen mit seiner Sekretärin?«
Laura stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Wie in einer schlechten französischen Komödie. Der untreue Ehemann, der es sich mit seiner poppigen, rothaarigen Sekretärin über einer Schale gekühlter Shrimps im Bett gemütlich macht.«
Beinahe hätte Margo laut gelacht. »Krabben?«
»In einer würzigen Honigsauce und mit einer Flasche Dom Perignon, um das Ganze hinunterzuspülen. Auftritt der ahnungslosen, vernachlässigten, eleganten Ehefrau. Das Bild erstarrt. Niemand sagt ein Wort, einzig die leisen Klänge des
Bolero
erfüllen den Raum.«
»Bolero.
Oh, mein Gott!« Margo atmete zischend ein und sank ermattet auf einen Stuhl. »Tut mir leid. Tut mir leid, aber ich kann es einfach nicht ändern. Ich bin zu müde, um mich noch am Riemen zu reißen.«
»Kein Problem, lach nur!« Laura merkte, dass sie ebenfalls zu grinsen begann. »Es ist ja auch vollkommen wahnwitzig. Die Ehefrau stellt voll unglaublicher, dämlicher Würde fest: ›Tut mir leid. Offenbar störe ich.‹«
Wieder atmete Margo zischend ein. »Das hast du nicht gesagt.«
»Oh doch! Und die beiden haben mich völlig entgeistert angestarrt. Peter habe ich noch nie derart fassungslos erlebt. Allein aus diesem Grund hat es sich beinahe schon gelohnt. Dann fing die knackige junge Sekretärin an zu kreischen und versuchte, ihre Blöße zu verhüllen, wobei sie in ihrer Eile Peter die Shrimpssauce in den nackten Schoß goß.«
»Himmel, nein!«
»Es war wirklich ein denkwürdiger Augenblick.« Laura stieß einen Seufzer aus und fragte sich, wer von ihnen dreien sich wohl am lächerlichsten vorgekommen war. »Dann habe ich ihnen erklärt, sie sollten sich keine Mühe machen, ich fände schon allein hinaus – und machte auf dem Absatz kehrt.«
»Einfach so?«
»Einfach so.«
»Aber was sagt er dazu? Wie sieht er die Angelegenheit?«
»Keine Ahnung!« Ihre für gewöhnlich so sanften grauen Augen nahmen einen Ausdruck an, der typisch für die Familie Templeton war – hart, leidenschaftlich und unbeugsam. »Ich reagiere auf seine Anrufe nicht. Und endlich hat sich sein dämliches, elektronisch gesichertes Tor bezahlt gemacht.« Als sich ihr sanfter Mund ebenfalls verhärtete, war Margo Zeugin, wie sich Seide in Stahl verwandelte. »Er kommt nicht rein, weil ich den Dienstboten die Anweisung erteilt habe, ihm nicht aufzumachen. Und bisher hat er es sowieso erst einmal versucht.«
»Du sprichst also nicht einmal mehr mit ihm?«
»Ich wüßte nicht, was es da noch zu reden gibt. Seine Gleichgültigkeit habe ich toleriert. Auch seinen Mangel an Zuneigung und Respekt mir und meinen Gefühlen gegenüber habe ich ertragen. Aber seine Lügen und seine Untreue dulde ich keinen Augenblick. Er mag denken, dass er, wenn er mit seiner Sekretärin schläft, nur das Recht des Lehnsherrn geltend macht. Aber er wird bald feststellen, dass man diese Sache auch anders sehen kann.«
»Sag mal, willst du wirklich, dass das so läuft?«
»Es entspricht den Tatsachen. Meine Ehe ist vorüber.« Sie blickte in ihr Glas und schwieg für einen Augenblick. »Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, denke ich.«
Der Starrsinn war typisch für eine Templeton, stellte Margo fest. Vorsichtig drückte sie ihre Zigarette aus und nahm Lauras Hand. »Meine Liebe, du weißt, dass es sicher weder von der rechtlichen noch von der emotionalen Seite her so einfach werden wird.«
»Ich ziehe alle Konsequenzen in Betracht; aber ich spiele bestimmt nicht länger die leicht zu hintergehende, naive Luxusgattin.«
»Und die Mädchen?«
»Für sie werde ich alles ausgleichen.« Irgendwann. Irgendwie. »Bestimmt bringe ich die Dinge für sie wieder ins Lot.« Sie ging über die leise Furcht hinweg, die sie bei dem Gedanken an die Kinder unwillkürlich beschlich. »Etwas anderes kommt nicht in Frage.«
»Also gut. Ich stehe hundertprozentig hinter dir. Hör zu, ich gehe jetzt runter und gucke nach, ob es noch eine Kleinigkeit zu essen für uns gibt. Kate wird sicher auch halb verhungert sein, wenn sie nach Hause kommt.«
»Kate kommt heute abend nicht. Nach dem Abgabetermin der
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