So hoch wie der Himmel
Postkarten und Geschenke zu schicken, als würde dadurch die Tatsache wieder wettgemacht, dass du allem, was man für dich getan hat, den Rücken zuwendest.«
Anns Kummer öffnete alle Schleusen, so dass plötzlich das, was sie seit Jahren so sorgsam vor sich und der Welt verbarg, über ihre Lippen drängte. Die Worte sprudelten aus ihr heraus und umgaben Mutter und Tochter mit Bitterkeit.
»Du bist in diesem Haus aufgewachsen, hast immer so getan, als ob du etwas Besseres als die Tochter einer kleinen Angestellten wärst; und Miss Laura hat dich in deinem Streben nach Höherem noch bestärkt, indem sie dich stets wie eine Schwester behandelte. Wer hat dir Geld geschickt, nachdem du davongelaufen warst? Wer hat seinen Einfluss geltend gemacht, damit du deinen ersten Auftrag als Model bekamst? Wer war immer für dich da?« fragte sie und häufte wütend Schnittchen übereinander. »Aber warst du umgekehrt jemals für sie da? Während der letzten Jahre, in denen sie um den Zusammenhalt ihrer Familie gekämpft hat, in denen sie einsam und traurig war, wo hast du dich da rumgetrieben?«
»Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie Probleme hat?«
»Du hättest dich ja bei Miss Kate erkundigen können. Und wärst du nicht immer mit der wunderbaren Margo Sullivan beschäftigt gewesen, dann hättest du ihr vielleicht sogar einmal zugehört.«
»Ich war noch nie so, wie du mich haben wolltest«, stellte Margo müde fest. »Nie war ich wie Laura – und kann auch heute nicht wie Laura sein.«
Jetzt wallten neben Erschöpfung und Besorgnis auch noch Schuldgefühle in ihrer Mutter auf. »Niemand hat je verlangt, dass du jemand anderes sein sollst als die, die du nun einmal bist.«
»Ach nein, Mum? Du hast doch stets bedauert, dass ich nicht so freundlich und großzügig wie Laura – und nicht so vernünftig und praktisch wie Kate gewesen bin. Meinst du, das hätte ich nicht jeden Tag meines Lebens genau gespürt?«
Schockiert und verwirrt schüttelte Ann den Kopf. »Vielleicht wärst du einfach glücklicher gewesen, wenn du dich, statt davonzulaufen, mit dem, was du hattest und was du warst, zufriedengegeben hättest.«
»Vielleicht wäre ich nicht so schnell und nicht so weit gerannt, wenn du auch nur in etwa zufrieden gewesen wärst mit der Person, die ich nun einmal bin.«
»Ich lasse mir nicht die Schuld für Dinge in die Schuhe schieben, die in deinem Leben schiefgelaufen sind.«
»Nein, die Verantwortung für mein Leben übernehme ich ganz allein.« Warum auch nicht, dachte sie. Angesichts all der Schlappen, die bereits auf ihren Schultern lasteten, konnte sie die Schuld an den Fehlschlägen in ihrem Leben getrost noch dazunehmen. »Auf deine Anerkennung oder Ablehnung kommt es also nicht an.«
»Um meine Anerkennung hast du dich ohnehin noch nie geschert!« Mit diesen Worten verließ Ann den Raum und ließ die Tochter zornbebend allein zurück.
Drei Tage später fühlte Margo sich immer noch etwas unbehaglich. Im Grunde hatten sie nie als Erwachsene zusammen in dem Haus gelebt. Mit achtzehn hatte Laura geheiratet, sie selbst war nach Hollywood durchgebrannt, und Kate, die ewig jüngste, hatte ihr High-School-Examen früher absolviert und sich umgehend in Harvard immatrikuliert.
Doch allmählich kehrte Ruhe ein. Kate blieb unter dem Vorwand, keine Energie zu haben für ihr Appartement in Monterey, einfach da, und Margo behauptete, es dränge sie nichts. Sie hatte eingesehen, dass das Urteil ihrer Mutter in einigen Punkten zutraf. Laura kam zwar mit dem Gedanken an die bevorstehende Scheidung äußerlich halbwegs zurecht, aber die bereits schwierige Situation nähme an Problematik sicherlich noch zu. Inzwischen waren bereits die ersten Neugierigen aufgetaucht. Vor allem Leute aus dem Country Club, stellte Margo fest, denen Gerede über das Ende der Templeton-Ridgeway-Fusion zu Ohren gekommen war.
Eines Abends fand Margo Kayla vor Lauras Schlafzimmertür. Die Kleine campierte dort aus Angst, dass ihre Mama sie ebenfalls verließ.
Dies war der Augenblick, in dem sie den Glauben daran verlor, dass sich alles noch bereinigen ließ und sie bald wieder nach Mailand zurückkehrte. Ihre Mutter hatte auch in anderen Dingen recht gehabt, erkannte sie. Es würde Zeit, dass Margo Sullivan all die erwiesenen Wohltaten beglich. Sie kontaktierte Josh.
»Es ist sechs Uhr morgens«, beschwerte er sich, als sie ihn endlich im Templeton Stockholm an den Apparat bekam. »Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass du zu einem
Weitere Kostenlose Bücher