So kam der Mensch auf den Hund
jaulte, indes er mit Demuthaltung und Höflichkeitsgebärde der wütenden Stasi auszuweichen
trachtete. Da ich es begreiflicherweise auf keine allzu harte Probe seiner Ritterlichkeit ankommen lassen wollte, vor allem
deshalb, weil ich fürchtete, schließlich selbst unter seinem Unmut leiden zu müssen, wies ich das böse Weib nachdrücklich
zur Ruhe. So ereignete sich der paradoxe Fall, daß ich Stasi verprügelte, damit sie dem sanften Wolf nichts tue. Keine zehn
Minuten vorher hatte ich außerhalb des Käfigs eine Eisenstange und zwei Eimer mit Wasser bereitgestellt, um gegebenenfalls
meine geliebte kleine Hündin vor dem Angriff des gewaltigen Raubtieres retten zu können. Sic transit gloria – lupi!
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Erschienen als dtv-Band 30053.
|50| Herr und Hund
Es sind sehr verschiedene Motive, welche die Menschen zur Anschaffung und Haltung eines Tieres veranlassen können: Aber nicht
alle sind gut. Vor allem unter den Hundefreunden gibt es Leute, die nur bitterer Erfahrungen wegen beim Tier Zuflucht suchen.
Es stimmt mich ernst und traurig, wenn ich den bösen und völlig falschen Satz höre: »Die Tiere sind doch besser als die Menschen.«
Sie sind dies nämlich wirklich nicht! Zugestanden, die Treue eines Hundes findet nicht leicht ihresgleichen unter den sozialen
Loyalitäten des Menschen. Dafür kennt aber der Hund jenes Labyrinth oft einander widersprechender moralischer Verbindlichkeiten
nicht, er kennt nicht, oder nur in verschwindendem Maße, den Zwiespalt zwischen Neigung und Sollen, kurz alles das, was uns
arme Menschen schuldig werden läßt. Auch der treueste Hund ist im Sinne menschlicher Verantwortlichkeit a-moralisch.
Die wirklich genaue Kenntnis sozialer Verhaltensweisen höherer Tiere führt durchaus nicht, wie viele glauben, zu einer Unterschätzung
der Unterschiede zwischen Mensch und Tier, im Gegenteil: Nur ein guter Kenner tierischen Verhaltens ist imstande, die einzigartige
und hohe Stellung richtig einzuschätzen, die der Mensch unter den Lebewesen einnimmt. Der wissenschaftliche Vergleich des
Tieres mit dem Menschen, der einen so wesentlichen Teil unserer Forschungsmethode ausmacht, bedeutet ebensowenig eine Herabsetzung
der Menschenwürde wie die Anerkennung der Abstammungslehre. Es liegt im Wesen des schöpferischen organischen Werdens, daß
dieses immer völlig Neues und
Höheres
schafft, das in der Vorstufe, in der es seinen Ursprung nahm, in keiner Weise vorgebildet oder auch nur enthalten war. Wohl
steckt auch heute noch alles Tier im Menschen, keineswegs aber aller Mensch im Tier. Unsere stammesgeschichtliche Untersuchungsmethode,
die notwendigerweise |51| von der
unteren
Stufe, vom Tiere, ausgeht, läßt uns gerade das wesentlich Menschliche, jene hohen Leistungen menschlicher Vernunft und Ethik,
die in der Tierreihe nie dagewesen sind, besonders klar sehen, da wir sie von jenem Hintergrunde alter historischer Eigenschaften
und Leistungen abheben, die dem Menschen auch heute noch mit den höheren Tieren gemeinsam sind. Der Satz, die Tiere seien
doch besser als die Menschen, ist einfach eine Gotteslästerung; auch für den kritischen Naturforscher, der den Namen Gottes
nicht so leicht eitel nennt, bedeutet sie die satanische Leugnung der schöpferischen Höherentwicklung in der Organismenwelt.
Leider verharrt ein erschreckend großer Teil der Tierfreunde, vor allem aber der Tierschützer, auf diesem ethisch höchst gefährlichen
Standpunkt. Nur jene Tierliebe ist schön und veredelnd, die der weiteren und allgemeineren Liebe zur gesamten Welt der Lebewesen
entstammt, deren wichtigster und zentraler Teil die Menschenliebe bleiben muß: »Ich liebe, was da lebt«, läßt J. V. Widmann in seiner dramatischen Legende ›Der Heilige und die Tiere‹ den Erlöser sagen. Nur wer von sich das gleiche behaupten
kann, darf ohne moralische Gefahr sein Herz an die Tiere hängen. Wer aber, von menschlichen Schwächen enttäuscht und verbittert,
seine Liebe der Menschheit entzieht und sie an Hund oder Katze wendet, begeht zweifellos eine schwere Sünde, eine soziale
Sodomie sozusagen, die ebenso ekelerregend ist wie die geschlechtliche. Menschenhaß und Tierliebe ergeben eine sehr böse Kombination.
Natürlich ist es harmlos und durchaus erlaubt, wenn einsame Menschen, die irgendwelcher Gründe wegen sozialen Anschluß entbehren,
aus dem inneren Bedürfnis, zu lieben und geliebt zu werden, sich einen Hund anschaffen. Man fühlt
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