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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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gesellschaftlichen Verbande gehörenden Tieren ist also ein Junges, welches weniger als ungefähr
     sechs Monate alt ist, absolut unverletzlich. Die Demutgebärde – auf den Rücken fallen und urinieren – ist nur im ersten Augenblick
     der Begegnung notwendig und dient offenbar zuvörderst dazu, dem erwachsenen Hund zu sagen, daß er einem Kinde gegenübersteht.
     Es fehlen mir Beobachtungen und Experimente, die sichere Schlüsse zuließen, ob der erwachsene Hund die schonungsbedürftige
     Kindlichkeit
nur
an diesem Verhalten erkennt oder ob er außerdem noch im Geruche des Kindes Kennzeichen seines zarten Alters wahrnimmt, was
     mir wahrscheinlich vorkommt. Sicher spielt das Größenverhältnis zwischen dem Alten und dem Jungen keinerlei Rolle. Ein bissiger
     kleiner Foxterrier behandelt junge Bernhardiner auch dann als schonungsbedürftige Kindchen, wenn sie bedeutend größer sind
     als er, und männliche Hunde sehr großer Rassen haben meist keine Hemmungen, kleine Rüden als Kampfesgegner zu betrachten,
     auch wenn dieses Verhalten vom menschlichen Standpunkt aus höchst unritterlich scheint. Ich will die ritterliche Schonung
     kleinerer Hunde, die Bernhardinern, Neufundländern und Doggen oft nachgerühmt wird, nicht ganz ins Reich der Fabel verweisen,
     aber persönlich kennengelernt habe ich ein solch edles Tier trotz meines überdurchschnittlichen Reichtums an Hundebekanntschaften
     noch nie.
    Eine ungemein erheiternde, ja rührende Szene kann man hervorrufen, wenn man einen recht würdigen und zum Imponiergehabe neigenden
     Rüden grausamerweise einer Schar kleiner Welpen »zum Spiele vorwirft«. Unser alter Wolf I. taugte gerade für diesen Versuch
     ausgezeichnet; er war ernst und wenig spielfreudig, deshalb war es ihm außerordentlich peinlich, wenn man ihn zwang, auf der
     Terrasse seine damals etwa zwei Monate alten Kinder zu besuchen, denen obendrein noch ein gleichaltriger Dingo gesellt war.
     Während größere junge Hunde, etwa vom fünften Monat an, einen |48| gewissen Respekt vor der professoralen Würde eines alten Rüden haben, fehlt diese Achtung bei so kleinen Kindern vollkommen.
     Sie stürzen sich mit ihren scharfen und täppisch rücksichtslos zwickenden Zähnchen auf den Vater und beißen ihn in die Füße,
     so daß er einen um den anderen hochhebt, als sei er auf etwas Heißes getreten. Dabei darf der Arme nicht einmal knurren, geschweige
     denn die unartigen Kleinen bestrafen. Merkwürdigerweise begann unser grantiger Wolf nach einiger Zeit doch mit seinen Kindern
     zu spielen, er ließ sich eben gewissermaßen dazu erweichen; freiwillig aber ging er nie auf die Terrasse, solange seine Kinder
     noch klein waren.
    In mancher Hinsicht ähnlich ist die Situation, in welche ein Rüde gegenüber einer ihn angreifenden Hündin gerät. Die Hemmung,
     zu beißen oder auch nur zu knurren, ist die gleiche, das Motiv aber, das den Rüden zwingt, sich der kampfsüchtigen Dame zu
     nähern, ist unvergleichlich stärker, und der Konflikt zwischen männlicher Würde, Angst vor dem scharfen Gebiß der Gegnerin
     und der Macht erotischer Triebe führt zu einem Verhalten, das zuweilen wie eine Satire auf das des Menschen wirkt. Vor allem
     die spielerische Komponente in dem besprochenen Höflichkeitsverhalten nimmt sich an einem alten, ernsten Rüden beinahe peinlich
     aus. Wenn so ein rauher Kämpe, der die Zeiten kindlichen Spieles längst hinter sich hat, bei der Liebeswerbung mit den Vorderfüßen
     trippelt und neckisch vor- und zurückprellt, so zieht auch der nicht vermenschlichende Beobachter gewisse Vergleiche. Die
     werden noch eindringlicher durch das Verhalten der Hündin, die den Rüden geradezu aufreizend hochmütig behandelt, zumal ja
     der Mann alles hinnehmen muß.
    Ein gutes Beispiel erlebte ich, als ich damals mit Stasi den Grauwolf in seinem Käfig besuchte. Nach kurzer Zeit trug mir
     der Wolf, wie noch zu erzählen sein wird, ein Spiel an, auf das ich geschmeichelt einging. Stasi nahm es aber krumm, daß ich
     mich mit dem Wolf mehr beschäftigte als mit ihr, und ging plötzlich zum Angriff auf meinen Spielpartner über. Nun haben Chowhündinnen
     ein besonders ekelhaft keifendes |49| Bellen und eine bestimmte Art zu zwicken, wenn sie einen Rüden »strafen« wollen: Sie beißen zwar nicht tief und kräftig zu
     wie kämpfende Rüden, sondern fassen offenbar absichtlich nur die Haut, diese aber nachhaltig genug, um den Mann schmerzlich
     aufjaulen zu lassen. Auch der Wolf

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