So kam der Mensch auf den Hund
Meine Chow-Schäferhund-Mischlinge
beispielsweise kommen in ihren körperlichen und seelischen Eigenschaften den wilden Ahnen besonders nahe. Je weniger der Hund
durch Domestikation verändert, je mehr er ein wildes Raubtier geblieben ist, desto wertvoller und wunderbarer scheint mir
seine Freundschaft. Aus ähnlichen Gründen liebe ich es auch nicht, durch Dressur dem Hund allzuviel von seiner natürlichen
Wesensart zu nehmen. Selbst den bösen Jagdtrieb meiner Hunde, der immer Unannehmlichkeiten zur Folge hat, möchte ich nicht
missen. Wären sie sanfte Lämmer, die keiner Fliege ein Leid zufügen, es dünkte mich weniger wunderbar, daß ich ihnen ohne
Sorge das Leben meiner Kinder anvertrauen kann. Dies wurde mir einst durch ein an sich schreckliches Erlebnis klar. Während
eines harten Winters war ein Reh über den tief verschneiten Zaun in den Garten gelangt und von meinen drei Hunden völlig zerfleischt
worden. Als ich erschüttert vor der zerfetzten Leiche stand, kam mir zum Bewußtsein, welch unbedingtes Vertrauen ich in die
sozialen Hemmungen dieser blutgierigen Bestien setzte, waren doch zu jener Zeit meine Kinder viel kleiner und wehrloser als
das Reh, dessen blutige Reste da vor mir im Schnee lagen. Ich staunte zutiefst über die absolute |62| Unbesorgtheit, mit welcher ich die zarten Glieder meiner Kinder Tag für Tag den furchtbaren Brechscheren der Wolfsgebisse
anvertraute. Wie oft spielten die Kinder doch im Sommer unbeaufsichtigt mit den Hunden im Garten! Aber wer hat je gehört,
daß ein Hund dem Kinde seines Herrn etwas getan hätte?
Über den Geschmack läßt sich natürlich streiten, und ich sehe ein, daß der wilde, raubtierhafte Hund, wie ich ihn liebe, nicht
jedermanns Sache ist. Auch sind lupusblutige Hunde wegen ihrer Feinfühligkeit, ihres zurückhaltenden Wesens und ihres charaktervollen
Eigenlebens nicht leicht zu erziehen. Wahre Freude an ihnen wird nur derjenige haben, welcher Hunde gut kennt und imstande
ist, den unglaublichen Reichtum ihrer Seele voll auszuschöpfen. Andere werden an einem dickfelligen und biederen Boxer oder
an einem Airedaleterrier mehr Vergnügen haben, aus ähnlichen Gründen nämlich, aus denen etwa ein Anfänger in der Fotografie
mit einer einfachen Kamera bessere Erfolge erzielt als mit einem modulationsfähigen, aber komplizierten Spezialapparat.
Damit möchte ich den »biederen«, seelisch unkomplizierten Hund in keiner Weise herabsetzen, im Gegenteil, ich habe Boxer und
die größten Terrierrassen, die in ihrer fröhlichen Schneid und in ihrer selbstlosen Anhänglichkeit auch von wenig feinfühligen
Erziehern kaum verdorben werden können, besonders gern. Auch ist ausdrücklich zu sagen, daß die hier angestellten Erwägungen
über allgemeine Charaktereigenschaften der einzelnen Hunderassen auch nur allgemein gelten und daß jede nur mögliche Ausnahme
vorkommt. Im Grunde ist jede derartige Verallgemeinerung ebenso unrichtig, als wollte ich den Charakter
des
Deutschen,
des
Engländers oder
des
Franzosen beschreiben. Ich kenne beispielsweise extrem feinfühlige Boxer und völlig charakterlose Chows, sogar einen Spaniel
mit höchst ausgeprägtem Eigenleben und großer Selbständigkeit. Auch meine blaue Susi, in der allerdings das Schäferhunderbe
seelisch besonders stark zum Durchbruch kommt, ist gegen gute |63| Freunde der Familie voll graziöser Liebenswürdigkeit und durchaus nicht so abweisend wie andere Chows.
Es ist vielleicht notwendiger, dem Anfänger in der Hundehaltung zu raten, welches Tier er sich
nicht
anschaffen soll, vor welchen Eigenschaften seines zukünftigen Hausgenossen er sich zu hüten hat, als ihm positive Ratschläge
zu erteilen. Ehe ich auf diese Warnungen näher eingehe, möchte ich dem vorbeugen, daß der Leser durch sie von der Hundehaltung
überhaupt abgeschreckt wird.
Jeder
Hund ist besser als gar keiner, und selbst wenn der Hundekäufer gegen sämtliche hier aufgestellten Regeln verstößt, wird er
immer noch Freude an seinem Tier haben! Sie wird jedoch größer sein, wenn er sie befolgt. Die erste Regel lautet: Man kaufe
nur einen körperlich und seelisch völlig
gesunden
Hund. Woferne nicht zwingende Gründe zu einer anderen Wahl drängen, soll man sich aus einem Wurfe Hundekinder den stärksten,
dicksten und lebhaftesten Welpen aussuchen – drei Eigenschaften, die mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit zusammenfallen. Hündinnen
sind natürlich meist schon als Kinder
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