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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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kleiner und zarter als Rüden, welcher Umstand bei der Wahl zu berücksichtigen ist. Sieht
     man an Eltern oder an Kindern die geringsten Zeichen irgendwelcher Degeneration – was bei hochgezüchteten Rassen nicht selten
     der Fall ist   –, so trete man sofort vom Kauf zurück. Vor allem bei ausländischen Hunderassen, die in Mitteleuropa nur in verhältnismäßig
     kleinen Stämmen gezüchtet (und daher meist erheblich ingezüchtet) werden, ist Vorsicht geboten. Lieber einen etwas weniger
     langen Stammbaum (der ja doch nur daheim in der Schublade liegt, soferne man nicht selbst züchtet), dafür aber einen vitaleren
     und anspruchsloseren Hund! Wie ich im Kapitel ›Anklage gegen die Züchter‹ noch ausführen werde, bin ich ja auf die Hundezüchter
     von Beruf, denen körperliche Schönheit immer zuviel, seelische Eigenschaften dagegen viel zuwenig gelten, so schlecht zu sprechen,
     daß ich beinahe ketzerisch raten möchte: Der Anfänger, der von der Hundeseele noch nicht viel versteht, kaufe nie einen Hund
     mit langem Stammbaum. Um es grob und extrem auszudrücken: Bei |64| einer »Promenademischung« ist die Wahrscheinlichkeit, einen nervösen, verrückten, seelisch defekten Hund zu erhalten, bedeutend
     geringer als bei einem mit achtfacher »Siegerabstammung«. Will man einen deutschen Schäferhund, so gehe man unbedingt zu einer
     Zucht von
Gebrauchs -
Hunden dieser Rasse; hier allerdings hat der Nachweis einer Abstammung von Siegern und Champions seinen guten Sinn.
    Vor der Anschaffung eines Hundes soll man gründlich erwägen, wieviel man seinen Nerven zutrauen will. Übermäßig lebhafte Hunde,
     wie beispielsweise Drahthaar-Foxterrier, können auch einem sonst nicht nervösen Menschen schwer zu schaffen machen, zumal
     wenn sie, was bei hochgezüchteten Stämmen häufig ist, nicht aus eigentlicher Seelenheiterkeit, sondern nur aus Nervosität
     rast- und ruhelos sind. Auch bei Beurteilung der
Größe
des zu wählenden Hundes in ihrem Verhältnis zu dem in Wohnung, Haus oder Garten gebotenen Raum muß die Lebhaftigkeit einkalkuliert
     werden. Ein sentimental-sanfter Setter, dessen höchstes Glück in stiller Anschauung seines Herrn liegt, leidet unter der Enge
     einer Stadtwohnung weniger als ein quicklebendiger kleiner Terrier. Hat man Zeit, seinem Tier genügend Bewegung zu verschaffen,
     so ist die Beschränktheit der kleinsten Stadtwohnung kein Gegengrund für den Besitz eines größeren Hundes. Die Pflicht, dem
     Hund Bewegung zu machen, zwingt den Menschen nur, das zu tun, was er im Interesse seiner
eigenen
Gesundheit tun muß, nämlich täglich zweimal in frischer Luft eine halbe Stunde spazierenzugehen.
    Ein Irrtum, der von allgemein tierfreundlichen, nicht aber speziell hundeverständigen Menschen leicht begangen wird, besteht
     darin, einen Hund gerade deshalb zu kaufen, weil er ihnen schon beim ersten Zusammentreffen besonders freundlich und zutunlich
     entgegenkommt. Wenn einem mehrere, im übrigen gleichwertige, halbwüchsige Hunde zum Kauf angeboten werden, so ist man tatsächlich
     versucht, den zu wählen, der einen durch freundliches Entgegenkommen zu rühren versteht. Man vergißt aber, daß man dabei unfehlbar
     den größten »Kalfakter« unter den vorhandenen Tieren wählt, |65| und daß man sich später gar nicht darüber freuen wird, wenn der Hund jedem Fremden freundlich wedelnd entgegenläuft. Als ich
     meine Susi unter neun gleichaltrigen Chowkindern aussuchte, wählte ich sie nicht zuletzt deshalb, weil sie von den neun mich
     wütend ankläffenden lächerlichen Pelzkugeln diejenige war, in deren Gekläff am meisten Knurren mitklang und die sich gegen
     mich, den Fremden, am grimmigsten wehrte, als ich versuchte, sie anzufassen.
    Der »carattere calfacteristico«, den Nestroy in seinem lustigen Steckbrief im ›Lumpazivagabundus‹ sämtlichen »Mopperln« zuschreibt,
     ist tatsächlich einer der schlimmsten Fehler, die ein Hund haben kann. Übrigens tut Nestroy den Möpsen, meiner Erfahrung nach,
     Unrecht; der einzige Hund dieser fast ausgestorbenen Rasse, den ich kenne, ist ein höchst anständiges und treues Tier, das
     seine Herrin wütend gegen gemimte Angriffe verteidigt. Wie schon anderen Ortes erwähnt, ist der besprochene Charaktermangel
     auf das Persistieren der unterschiedslosen Freundlichkeit und Unterwürfigkeit zurückzuführen, die sehr junge Hunde allen Menschen
     ebenso wie allen erwachsenen Hunden entgegenbringen. Dieser Infantilismus ist also nur am

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